Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Wie dynamisch startet die deutsche Wirtschaft ins neue Jahr und wie viel "rechnerischen" Rückenwind bekommt sie dabei aus dem vergangenen? Diese Fragen beantworten zwei in der Woche anstehende Konjunkturdaten - das Ifo-Geschäftsklima für Januar und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das vierte Quartal. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte rechnen damit, dass der Ifo-Index zu Jahresbeginn gefallen ist und erwarten für das Jahresende 2020 eine BIP-Stagnation.

Daneben kommen BIP-Daten aus weiteren Ländern, darunter den USA, sowie aus Deutschland Verbraucherpreise und Arbeitsmarktdaten. Zudem stehen geldpolitische Entscheidungen der US-Notenbank an und ein Montag mit fünf Auftritten von EZB-Ratsmitgliedern.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex dürfte zu Jahresbeginn gesunken sein. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte prognostizieren für Januar einen Rückgang auf 91,9 (Dezember: 92,1) Punkte. Dabei nehmen sie an, dass die Unternehmen ihre Geschäftslage wegen des verlängerten und verschärften Lockdowns ungünstiger als zuvor beurteilen. Für den Lageindex wird ein Rückgang auf 90,5 (91,3) prognostiziert.

Zugleich rechnen die Ökonomen aber mit einem Anstieg des Erwartungsindex auf 93,1 (92,8) Punkte. Seit der Ifo-Veröffentlichung am 18. Dezember wurde die Stimmung der Unternehmen von verschiedenen und teilweise gegenläufigen Entwicklungen beeinflusst. So einigten sich die EU und Großbritannien am 24. Dezember auf ein Post-Brexit-Abkommen, und die US-Demokraten konnten sich nach dem Posten des Präsidenten in beiden Häusern des Kongresses Mehrheiten sichern - wenn auch eine nur sehr knappe im Senat.

Negativ dürften dagegen die seither verlängerten und verschärften Lockdowns in Deutschland und bei wichtigen Handelspartnern gewirkt haben. Allerdings fielen die Konjunkturdaten für das vierte Quartal bisher überraschend gut aus. Aber was es damit wirklich auf sich hatte, wird erst die BIP-Veröffentlichung am Freitag (8.00 Uhr) zeigen. Das Ifo-Institut veröffentlicht seine Daten am Montag (10.00 Uhr).


   Zahlreiche Reden von EZB-Offiziellen am Montag 

Am Montag gibt es zudem zahlreiche öffentliche Auftritte von EZB-Offiziellen. Den Anfang macht um 9.45 Uhr EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit einer Rede bei einer Konferenz der Universität Frankfurt zu "Green Banking and Green Central Banking". Es folgt EZB-Direktor Fabio Panetta (11.45 Uhr) mit einer Rede zum 50-jährigen Bestehen der Vereinigung italienischer Finanzanalysten.

EZB-Direktor Frank Elderson wird (14.45 Uhr) vom Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments angehört, und zeitgleich spricht EZB-Chefvolkswirt Philip Lane bei der Lamfalussy Lectures Conference. Den Abschluss bildet wiederum EZB-Präsidentin Lagarde (17.00 Uhr) mit einer Rede bei einem High-level Leadership Panel zum Thema "Restoring Economic Growth".


   Deutsches BIP stagniert im vierten Quartal 

Die deutsche Wirtschaft dürfte im vierten Quartal stagniert haben. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte rechnen damit, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf dem Niveau des Vorquartals geblieben ist, nachdem es im dritten Quartal um 8,5 Prozent gestiegen war. Für das Gesamtjahr 2020 hat das Statistische Bundesamt (Destatis) inzwischen vorläufig einen kalenderbereinigten BIP-Rückgang von 5,3 Prozent gemeldet und geschätzt, dass die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal "in etwa" auf Vorquartalsniveau gelegen hat.

Eine BIP-Rate in dieser Höhe würde zu einem statistischen Überhang von 1,4 Prozent führen. Das bedeutet: Selbst wenn das BIP für den Rest des Jahres auf dem Niveau von Ende 2020 verharrte, würde es im Jahresdurchschnitt immer noch um 1,4 Prozent über dem Durchschnitt von 2020 liegen.

Am Freitag kommen außerdem die BIP-Daten Frankreichs (7.30 Uhr) sowie Spaniens und Österreichs (beide 9.00 Uhr). Der Wirtschaftsstimmungsindex Esi der EU-Kommission für Januar wird am Donnerstag (11.00 Uhr) veröffentlicht. Analysten erwarten einen Rückgang auf 90,0 (90,4) Punkte.

Über die Entwicklung der deutschen Arbeitslosigkeit informiert am Freitag (9.55 Uhr) die Bundesagentur für Arbeit. Volkswirte erwarten einen Anstieg der saisonbereinigten Arbeitslosenzahl um 10.000 und eine unveränderte Quote von 6,1 Prozent. Ebenfalls am Freitag (10.00 Uhr) informiert die Europäische Zentralbank (EZB) über die Entwicklung von Geldmenge und Kreditvergabe im Dezember.


   HVPI-Inflation in Deutschland steigt im Januar deutlich 

Der Inflationsdruck in Deutschland dürfte zu Jahresbeginn deutlich zugenommen haben. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte erwarten, dass der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) mit einer Jahresrate von 0,5 Prozent gestiegen ist, nachdem er im Dezember noch um 0,7 Prozent gesunken war. Wichtigste Ursache des etwas höheren Inflationsdrucks dürften die zu Jahresbeginn eingeführte CO2-Steuer und der Wegfall der Mehrwertsteuersenkung gewesen sein.

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht die Preisdaten am Donnerstag (14.00 Uhr). Im Laufe des Vormittags kommen bereits die Daten aus sechs Bundesländern, die auch Rückschlüsse auf die Entwicklung der Kernteuerung erlauben werden. Wichtig ist die Inflation in Deutschland vor allem mit Blick auf die Preisentwicklung im Euroraum, über die Eurostat aber erst in der Folgewoche informieren wird. Spanische Inflationsdaten kommen am Donnerstag (9.00 Uhr).

Die EZB hat mehrfach versichert, dass sie den für 2021 zu erwartenden Inflationsanstieg nicht überbewerten wird, da er auf Basiseffekten und Energiepreisen beruhe. Für 2022 prognostiziert die EZB eine rückläufige Teuerung.


   Powell erklärt Tapering-Debatte für "verfrüht" 

Auch die US-Notenbank hat die Marktteilnehmer in jüngster Zeit davon zu überzeugen versucht, dass sie bei den für 2021 zu erwartenden Ausschlägen des Verbraucherpreisindex Ruhe bewahren wird - nicht zuletzt, weil das Teil der neuen Strategie der Federal Reserve ist. Gleichwohl blicken Analysten und Investoren angesichts der hohen Bewertungen an den Aktienmärkten mit einiger Nervosität auf Inflation und Fed.

Die zuletzt aufgekommene Debatte über ein Abschmelzen der Anleihenkäufe ("Tapering") hat Fed-Chef Jerome Powell als "viel zu verfrüht" abgetan. Bei der Sitzung im Dezember hatte die Fed ihr "Wording" zu den Anleihekäufen geändert: Sie will die Käufe fortsetzen, bis sich bei der Erreichung ihrer Ziele "substanzielle Fortschritte" zeigen. Damit signalisierte die Fed eine längere Dauer des Kaufprogramms. Seit Juni 2020 kauft sie monatlich für 80 Milliarden Dollar Staats- und für 40 Milliarden Hypothekenanleihen.


   US-Wirtschaft setzt Erholung im vierten Quartal fort 

Trotz steigender Infektionszahlen hat die US-Wirtschaft im Schlussquartal ihre Erholung voraussichtlich fortgesetzt. Ökonomen rechnen für die erste BIP-Veröffentlichung mit einem annualisierten Wachstum von 4,6 Prozent. Im dritten Quartal hatten die USA ein Rekordwachstum von 33,4 Prozent verzeichnet, das allerdings nur aufgrund des noch größeren Absturzes im zweiten Quartal möglich war.

Positive Überraschungen bei den Daten zur Industrieproduktion und zur Kapazitätsauslastung wurden teilweise durch eine negative Überraschung bei den Einzelhandelsumsätzen geschmälert. Gestützt wurde das Wachstum außerdem von einer starken Bautätigkeit.

Die Woche endet am Freitag mit dem Bonitätsurteil der Ratingagentur Moody's für Deutschland.

Mitarbeit: Andreas Plecko

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/apo/smh

(END) Dow Jones Newswires

January 22, 2021 09:46 ET (14:46 GMT)