Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die US-Notenbank wird ihre Geldpolitik vorerst nicht ändern. Analysten erwarten, dass das Federal Open Market Committee (FOMC) am Mittwoch den Leitzins bei 0,00 bis 0,25 Prozent belassen und das Volumen der monatlichen Anleihekäufe von 120 Milliarden US-Dollar bestätigen wird. Gleichwohl dürfte das Gremium über die Notwendigkeit diskutieren, das Tempo dieser Käufe perspektivisch zu verringern, weil die Inflation in den vergangenen beiden Monaten deutlich höher war, als die Fed erwartet hatte. Dem steht ein Arbeitsmarkt gegenüber, dessen Zustand nicht so einfach zu beurteilen ist.


   US-Kerninflation im Mai auf 29-Jahreshoch 

Die an den Verbraucherpreisen gemessene US-Inflation ist in den vergangenen Monaten mit geradezu irrwitzigem Tempo gestiegen - von 2,6 Prozent im März über 4,2 Prozent im April auf 5,0 Prozent im Mai - das höchste Niveau seit 13 Jahren. Bei den Kernverbraucherpreisen betrug die Jahresrate 3,8 Prozent, was der höchste Wert seit 29 Jahren war.

Allerdings ist die Relevanz dieser Zahlen für die Geldpolitik zu hinterfragen. Erstens bevorzugt die Fed nach eigener Aussage als Inflationsmaß den Preisindex der persönlichen Konsumausgaben, der im April mit einer Jahresrate von 3,6 (März: 2,4) Prozent gestiegen ist.


   Preisanstiege stark auf einzelne Posten konzentriert 

Zweitens konzentrieren sich die Preisanstiege innerhalb des Warenkorbs des Verbraucherpreisindex auf relativ wenige Komponenten. Prominentestes Beispiel sind die Gebrauchtwagenpreise, deren Jahresrate von 7,3 Prozent ein Drittel des gesamten Inflationsanstiegs ausmachte. Analysten sehen hier einen direkten Zusammenhang mit den Corona-Zahlungen der Regierung.

Der von der Cleveland Fed erhobene Medianindex der Verbraucherpreise, der die am stärksten schwankenden Komponenten herausrechnet, stieg im Mai mit einer Jahresrate von nur knapp über 2 Prozent. In den Monaten November ist April war die Teuerung in dieser Abgrenzung von über 3 Prozent kommend gesunken.


   Inflationserwartungen steigen im Mai weiter 

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Inflationserwartungen. Die von der Uni Michigan erhobenen Inflationserwartungen mit einem Horizont von einem Jahr sanken im Juni auf 4,0 (Mai: 4,6) Prozent und die mit fünfjährigem Horizont auf 2,8 (3,0) Prozent.

In der Woche kommen am Dienstag (14.30 Uhr) Daten zur Entwicklung der Erzeugerpreise im Mai und am Mittwoch (14.30 Uhr) die Importpreise.

Die Fed muss aber nicht nur für Preisstabilität sorgen, sondern auch für Vollbeschäftigung - und in dieser Hinsicht hat sie deutlich weniger erreicht als bei der Inflation. Die Beschäftigtenzahl lag im Mai um rund 7 Millionen unter dem Niveau von Februar 2020, als die Corona-Krise ausbrach, und die Erwerbsquote hat noch nicht wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Diese Tatsache wiegt umso schwerer, als die Fed seit ihrer Strategiereform größeren Wert auf das Erreichen dieses Ziels legt.


   Nachfrage nach Arbeitskräften übersteigt Angebot 

Nach einem sehr schwachen Beschäftigungszuwachs im April und einem soliden im Mai entsteht der Eindruck, dass nicht eine schwache Arbeitskräftenachfrage der Grund der geringeren Beschäftigtenzahl ist, sondern ein geringeres Angebot. Viele US-Amerikaner, die sich mit Corona vom Arbeitsmarkt verabschiedet haben, sind bisher nicht dorthin zurückgekehrt - ob vorübergehend wegen großzügiger staatlicher Hilfen oder vorgezogen, aber dauerhaft aus Altersgründen, ist nicht klar.

Das schafft seinerseits Engpässe und lässt die Löhne steigen, was wiederum Inflation auslösen kann. Analysten warten gespannt darauf, was die FOMC-Mitglieder aus diesem Mix machen werden, wenn sie ihre makroökonomischen und Zinsprognosen abgeben, die am Mittwoch zusammen mit den geldpolitischen Entscheidungen (20.00 Uhr) veröffentlicht werden. In der März-Umfrage hatte es eine Mehrheit für einen bis Ende 2023 unveränderten Leitzins gegeben.

Wichtig wird auch sein, wie sich Fed-Chairman Jerome Powell in seiner Pressekonferenz äußert. Powell hatte die Losung ausgegeben, es brauche "eine Reihe" guter Arbeitsmarktberichte, ehe die Fed eine schrittweise Verringerung ihrer Anleihekäufe (Tapering) ins Auge fassen könne.


   Bank of Japan lässt Geldpolitik unverändert 

Ökonomen erwarten, dass die Bank of Japan (BoJ) bei ihrer Ratssitzung die wesentlichen Instrumente ihrer Geldpolitik bestätigt, nämlich den Einlagensatz von minus 0,10 Prozent und das Renditeziel für zehnjährige Staatsanleihen von 0 Prozent. Allerdings dürfte die BoJ ihr Pandemie-Hilfsprogramm für Unternehmen zum dritten Mal verlängern.

Die weithin erwartete Entscheidung der BoJ, nach einer Strategieprüfung an ihren geldpolitischen Hebeln festzuhalten, würde einen deutlichen Kontrast zu anderen Zentralbanken darstellen, die sich auf eine Kehrtwende in der Krisenpolitik zubewegen. Eine Hauptursache für diesen Unterschied ist, dass Japans Impfprogramm nur sehr langsam vorankommt und das Land sich daher nur sehr vorsichtig öffnen kann.


   Keine starke Nachfrage nach langfristiger EZB-Liquidität 

Die Europäische Zentralbank (EZB) teilt am Donnerstag (11.30 Uhr) ihr achtes Geschäft der dritten Serien langfristiger und gezielter Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO3) zu. Analysten erwarten keine allzu große Nachfrage nach langfristiger Liquidität, nachdem die Banken im März 330 Milliarden Euro aufgenommen hatten. Die Institute kommen nur dann in den vollen Genuss eines Zinses, der um 50 Basispunkte unter dem Einlagenzins (minus 0,50 Prozent) liegt, wenn sie bestimmte Benchmarks bei der eigenen Kreditvergabe erfüllen. Zuletzt war jedoch die Nachfrage nach Unternehmenskrediten gesunken.

Weitere wichtige US-Daten der Woche sind der Empire State Index (Dienstag, 14.30 Uhr), Philly-Fed-Index (Donnerstag, 14.30 Uhr), die Einzelhandelsumsätze (Dienstag, 14.30 Uhr) und die Industrieproduktion (Dienstag, 15.15 Uhr).

Mitarbeit: Andreas Plecko

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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June 14, 2021 01:00 ET (05:00 GMT)