Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Euro zwischen Scylla und Charybdis: Die Inflation im Euroraum steuert im September auf einen neuen Rekord zu: Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte erwarten, dass die Verbraucherpreise mit einer Jahresrate von 9,7 (August: 9,1) gestiegen sind - das Inflationsungeheuer wird also noch bedrohlicher. Auf der anderen Seite mehren sich die Anzeichen für eine Rezession. Wie soll sich die Europäische Zentralbank (EZB) Ende Oktober zwischen diesen beiden Ungeheuern verhalten? Derzeit sieht alles nach anhaltenden Zinserhöhungen aus.

Weitere wichtige Konjunkturdaten sind die deutschen und französischen Verbraucherpreise sowie das Ifo-Geschäftsklima.

Der sprunghafte Anstieg der Inflation hat die meisten Notenbanken weltweit in Alarmstimmung versetzt. Angeführt von der US-Notenbank, die die Weltreservewährung herausgibt, mit der die meisten Rohstoffe bezahlt werden müssen, erhöhen sie ihre Zinsen in Riesenschritten. Die Fed stößt bereits entschlossen in den Bereich vor, in dem die Geldpolitik die Wirtschaft bremst und sie kalkuliert eine Rezession offen ein. Bei der EZB lautet das Motto dagegen: Wir gehen erst mal bis in den neutralen Bereich. Allerdings wissen wir nicht, wo der ist oder wir wollen es nicht sagen. Und wenn eine Rezession kommt, dann bremst das die Teuerung ja auch.

Während im Offenmarktausschuss FOMC geldpolitische Differenzen zwischen Einzelpersonen bestehen, sind die Differenzen im EZB-Rat national eingefärbt. Auf eine Pressekonferenz von EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit einer so klaren Linie wie der von Fed-Chairman Jerome Powell hoffen Analysten wohl vergebens. Die EZB scheint den Entwicklungen derzeit weiter hinterherzuhinken als die Fed.


   Euroraum-Kerninflation steigt im September auf Rekordhoch 

Dieses Gefühl könnte sich am Freitag (11.00 Uhr) verstärken, wenn Eurostat Inflationszahlen für September vorlegt. Erwartet wird nicht nur ein Anstieg der Gesamtinflation, ausgelöst durch höhere Energie- und Nahrungsmittelpreise, auch die Kernteuerung soll steigen, und zwar auf 4,7 (4,3) Prozent. Zur Eurostat-Veröffentlichung führen die von Spanien und Deutschland (Donnerstag, 9.00 bzw 14.00 Uhr) sowie von Frankreich (Freitag, 8.45 Uhr) hin. Für Deutschland wird ein Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) mit einer Jahresrate von 10,2 (8,8) Prozent erwartet.

Von Interesse ist mit Blick auf die Teuerung auch der Arbeitsmarkt. Je niedriger die Arbeitslosigkeit, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitnehmer ihre Verhandlungsmacht auf der Lohnseite für einen guten Inflationsausgleich nutzen. Am Freitag kommen Arbeitslosenzahlen aus Deutschland für September (9.55 Uhr) und aus dem Euroraum für August (11.00 Uhr). Zusammen mit dem Wirtschaftsstimmungsindex für September veröffentlicht die EU-Kommission zudem am Donnerstag (11.00 Uhr) Angaben zu den Preiserwartungen einzelner Wirtschaftszweige.


   Ifo-Geschäftsklimaindex sinkt im September zum vierten Mal 

Der unsichere Ausblick infolge des Ukraine-Kriegs und die weiter gestiegenen Energiepreise dürften das deutsche Ifo-Geschäftsklima (Montag, 10.00 Uhr) im September ein weiteres Mal belastet haben. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte erwarten, dass der Ifo-Geschäftsklimaindex auf 87,1 (August: 88,5) Punkte gesunken ist. Es wäre der vierte Rückgang in Folge, der erneut von einer Eintrübung sowohl der Lagebeurteilung als auch der Geschäftsaussichten getragen sein dürfte. Die Einkaufsmanagerumfrage hatte zuvor einen deutlichen Rückgang der Geschäftsaktivität im Dienstleistungssektor zutage gefördert.

Zwei wichtige Prognose-Veröffentlichungen gibt es in der Woche: Am Montag kommt eine aktuelle Ausgabe des Wirtschaftsberichts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und am Donnerstag das Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute für Deutschland.

Am Freitagabend veröffentlicht Moody's das aktuelle Kreditrating Italiens. Im August hatte die Ratingagentur den Ausblick für das Baa3-Rating auf "negativ" gesetzt.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/smh

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September 26, 2022 01:00 ET (05:00 GMT)