Jerusalem (Reuters) - Israel hat nach eigenen Angaben den Militärchef der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen, Mohammed Deif, bereits Mitte Juli getötet.
Nur einen Tag nach der Israel zugeschriebenen gezielten Tötung des politischen Hamas-Anführers, Ismail Hanijeh, in Teheran teilten die israelischen Streitkräfte (IDF) am Donnerstag mit, Deif sei bei einem Angriff im Gazastreifen ums Leben gekommen. "Die IDF geben bekannt, dass IDF-Kampfjets am 13. Juli 2024 in der Gegend von Chan Junis angegriffen haben. Nach einer Auswertung des Geheimdienstes kann bestätigt werden, dass Mohammed Deif bei dem Angriff ausgelöscht wurde." Zur Tötung Hanijehs hat sich Israel dagegen bislang nicht bekannt. In der iranischen Hauptstadt Teheran versammelten sich Tausende Menschen für den Trauerzug für Hanijeh. Viele befürchten eine Eskalation des Nahost-Konfliktes und eine direkte Konfrontation zwischen den Erzfeinden Israel und Iran.
Mit Deif und Hanijeh verliert die seit der Wahl 2006 im Gazastreifen herrschende Hamas zwei ihrer wichtigsten Führungspersönlichkeiten. Deif gilt als einer der Drahtzieher des überraschenden Hamas-Angriffs am 7. Oktober 2023 auf den Süden Israels, auf den das israelische Militär mit einer massiven Offensive reagiert hat. Dabei starben nach Angaben der Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 39.480 Menschen.
Deif entwickelte das Tunnelsystem unter dem Gazastreifen und brachte Expertise im Bombenbau ein. Seit Jahrzehnten stand er ganz oben auf Israels Fahndungsliste und wird für den Tod Dutzender Israelis bei Selbstmordattentaten verantwortlich gemacht. Er überlebte sieben israelische Attentate. Für einige Palästinenser wurde er so zum Helden. In den Monaten nach dem Angriff auf Israel soll er gemeinsam aus den Tunneln von Gaza-Stadt heraus militärische Einsätze mit geleitet haben.
Deif und zwei weitere Hamas-Führer im Gazastreifen bildeten den dreiköpfigen Militärrat. Dieser plante den Angriff auf Israel, bei dem nach dessen Angaben 1200 Menschen getötet und über 250 als Geiseln genommen wurden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte nach dem Überfall an, Deif, sein Stellvertreter Marwan Issa und der Hamas-Chef im Gazastreifen, Jahja Sinwar, würden eliminiert. Berichten zufolge wurde Sinwar bereits in diesem März von israelischen Einheiten getötet.
TRAUER UM HAMAS-ANFÜHRER HANIJEH IN TEHERAN
Hanijeh dagegen war der Diplomat der Hamas. Er hielt sich nicht im Gazastreifen auf, sondern pendelte zwischen Katar und der Türkei. Am Mittwoch wurde er in Teheran gezielt getötet, wo er sich anlässlich der Vereidigung von Präsident Massud Peseschkian aufhielt. Für Hanijehs Tod machen die Hamas, der Iran, die mit beiden verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon und etliche Staaten Israel verantwortlich. Der Iran und Verbündete aus seiner Achse des Widerstandes, der Hamas und Hisbollah angehören, haben Israel mit Vergeltung gedroht. Etliche Staaten verurteilten die gezielte Tötung Hanijehs, darunter Ägypten und Katar, die sich mit den USA um eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sowie um die Freilassung der Geiseln bemühen.
In Teheran leitete Ajatollah Ali Chamenei, das geistliche und politische Oberhaupt des Irans, das Totengebet für Hanijeh. Tausende schwarz gekleidete Menschen skandierten "Tod Israel" und "Tod Amerika". Hanijehs Leichnam wird nach Katar geflogen, wo er am Freitag beigesetzt werden soll.
"Ruhe in Frieden, Abu al-Abed Ismail Hanijeh", sagte der Vize-Chef der Hamas im Gazastreifen, Chalil al-Hajja, in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache an der Teheraner Universität, wo die Trauerfeier stattfand. "Unsere Nation, der Iran, die Achse des Widerstands, dein Volk, deine Kämpfer ... sind vereint in der Entscheidung des Widerstands, um die zionistische Besatzung zu beenden." Als zionistisches Regime wird von der Hamas und vom Iran Israel bezeichnet, dem sie das Existenzrecht als Staat absprechen.
Mehreren Insidern zufolge wollten sich Vertreter des Irans und seiner Verbündeten im Libanon, Jemen und Irak am Donnerstag treffen und eine mögliche Reaktion auf Hanijehs Tod beraten. Bereits Anfang April war nach einem israelischen Luftangriff auf das Gelände der iranischen Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus eine massive Eskalation befürchtet worden. Auch damals hatte der Iran mit Vergeltung gedroht, weil bei dem Angriff mehrere Offiziere der Revolutionsgarden getötet wurden. In der Nacht vom 13. zum 14. April feuerte der Iran mehr als 300 Drohnen und Raketen in Richtung Israel ab, die nach israelischen Angaben aber zu 99 Prozent abgefangen wurden.
(Bericht von: Maayan Lubell, Nidal al-Mughrabi, Parisa Hafezi, geschrieben von Sabine Ehrhardt, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)