Die milliardenschwere Investition soll am Mittwoch angekündigt werden, wie drei Personen mit Kenntnis der Pläne sagten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) reisen dazu nach Ensdorf bei Saarlouis, um zusammen mit der saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger "an einer Veranstaltung zu einem industriepolitischen Projekt im Bereich Mikroelektronik teilzunehmen". Weitere Details wurden nicht genannt.

Die Fabrik soll auf dem Gelände eines ehemaligen Kohlekraftwerks entstehen. Nach einem Bericht des "Handelsblatt" beteiligt sich der deutsche Autozulieferer ZF Friedrichshafen an dem Projekt, in das auch staatliche Fördermittel fließen sollen. Bund und Land stünden bereit, erhebliche Zuschüsse über den EU-Förderrahmen IPCEI zu leisten und hätten in Brüssel bereits eine Genehmigung angefragt, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. "Das grüne Licht der EU-Kommission steht noch aus." Scholz und Habeck rechneten mit einer Freigabe. ZF und ein Sprecher der saarländischen Ministerpräsidentin lehnten eine Stellungnahme ab. Wolfspeed war zunächst nicht zu erreichen.

SUBVENTIONEN LOCKEN CHIPHERSTELLER

Die Europäische Union (EU) strebt an, die Abhängigkeit Europas von Asien bei Halbleitern zu verringern. Der Chipmangel während der Corona-Pandemie hat der Industrie die Anfälligkeit globaler Lieferketten schmerzhaft vor Augen geführt. Die Autoindustrie kämpfte mit massiven Produktionsausfällen, der Pkw-Absatz sank in Europa trotz hoher Nachfrage auf den tiefsten Stand seit knapp 30 Jahren. Im Ringen mit China um die globale wirtschaftliche Vormachtstellung kappen die USA zugleich die Handelsströme immer mehr und subventionieren die heimische Wirtschaft. Das verstärkt den Druck auf Europa. Dem 52 Milliarden Dollar schweren US-Chips-Act wird ein "European Chips Act" im Volumen von insgesamt 45 Milliarden öffentlicher und privater Investitionen entgegengesetzt. Der weltweite Produktionsanteil von Halbleitern in Europa soll so binnen zehn Jahren auf 20 Prozent verdoppelt werden.

Die Chipfabrik im Saarland wird ein weiterer Baustein zur Sicherung von Lieferketten für die Auto- und Elektronikindustrie nach der in Magdeburg geplanten Halbleiter-Fertigung des US-Konzerns Intel. Auch die deutschen Schwergewichte Bosch und Infineon investieren mit staatlicher Unterstützung Milliarden in Chipfabriken in Dresden. Intel hatte im vergangenen Jahr angekündigt, in Magdeburg zwei Werke für 17 Milliarden Euro als Teil eines 80 Milliarden Euro umfassenden Investitionsprogramms in Europa zu errichten. Die Pläne verzögern sich nach Medienberichten aber wegen Unklarheiten über die Höhe der staatlichen Förderung. Intel hat mittlerweile mit Verlusten zu kämpfen, weil sich die Halbleiter-Nachfrage mit der wirtschaftlichen Abkühlung wieder gedreht hat.

REGIERUNG SIEHT PUNKTSIEG FÜR STANDORT

Die deutsche Industrie warnt außerdem immer lauter vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber den USA, seit US-Präsident Joe Biden im vergangenen Jahr den "Inflation Reduction Act", ein 370 Milliarden Dollar schweres Förderprogramm klimafreundlicher Technologie, ankündigte. So befürchtet der Verband der Automobilindustrie (VDA) eine Spirale des Protektionismus. "Die transatlantische Partnerschaft muss vertieft, statt mit Hürden versehen werden", erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Europas Antwort auf den IRA ist der "Green Deal Industrial Plan". Das Maßnahmenpaket, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwochmittag präsentieren wird, soll den Weg der Wirtschaft zur CO2-Neutralität beschleunigen. Aus Sicht der Bundesregierung ist die Chipfabrik im Saarland auch vor diesem Hintergrund ein Kontrapunkt im transatlantischen Standortwettbewerb. "Derzeit gibt es Sorgen, dass die USA mit ihrem Inflation Reduction Act Investitionen aus Europa abziehen - und jetzt zeigen wir, dass ein amerikanisches Unternehmen in Deutschland investieren will", hieß es in Regierungskreisen. Das Subventionsniveau in Deutschland sei für klimafreundliche Technologien nicht geringer als das der USA. Im deutschen Klima- und Transformationsfonds stünden für die Jahre 2023 bis 2026 Mittel von fast 180 Milliarden Euro bereit.

(Bericht von Andreas Rinke, Ilona Wissenbach, Victoria Waldersee, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Ilona Wissenbach und Andreas Rinke