Berlin (Reuters) - Die starke Inflation in Deutschland hat sich im November wegen sinkender Preise für Benzin, Diesel und Heizöl überraschend abgeschwächt.

Die Verbraucherpreise stiegen um durchschnittlich 10,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Im Oktober hatte die Teuerungsrate mit 10,4 Prozent auf dem höchsten Stand seit 1951 gelegen. Es ist der erste Rückgang seit Juli. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten für den zu Ende gehenden Monat mit einem unveränderten Wert gerechnet. Von Oktober auf November sanken die Preise sogar, und zwar um 0,5 Prozent.

"Ein Silberstreif am Horizont", kommentierte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, den Rückgang. "Mit Glück haben wir den Inflationsgipfel hinter uns." Das sieht auch der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger so: "Das könnte der Startschuss für einen weiter abnehmenden Inflationsdruck sein. Zum Jahreswechsel wird die Inflationsrate wohl schon einstellig werden." In Bundesländern wie Sachsen, Hessen und Baden-Württemberg liegt der Wert bereits unter der Zehn-Prozent-Marke.

Besonders stark verteuerte sich erneut Energie als Folge des russischen Krieges gegen die Ukraine: Sie kostete durchschnittlich 38,4 Prozent mehr als im November 2021, nachdem es im Oktober sogar plus 43,0 Prozent waren. Nahrungsmittel verteuerten sich dagegen mit 21,0 Prozent noch einmal stärker als zuletzt. Für Dienstleistungen wurden 3,7 Prozent mehr verlangt, für Wohnungsmieten 1,9 Prozent mehr.

"FÜR BEGEISTERUNG NOCH ZU FRÜH"

Entwarnung geben Experten aber trotz der nachlassenden Teuerung noch nicht. "Wir nähern uns dem Gipfel, aber für einen Sturm der Begeisterung ist es noch zu früh", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Noch gebe es viel Inflationsdruck. "Ab Januar müssen viele Verbraucher mehr für Strom bezahlen", gab Ökonom Schmieding zu bedenken. "Das könnte die Inflationsrate noch einmal etwas in die Höhe treiben."

Danach dürfte der Preisdruck aber erheblich abnehmen. In der erwarteten Winterrezession bliebe den Unternehmen kaum noch eine Chance, höhere Kosten auf ihre Kunden zu überwälzen. Ab März kommen dann sogenannte Basiseffekte dazu. "Dann vergleichen wir nicht mehr die aktuellen Preise für Energie- und Nahrungsmittel mit den geringeren Vorkriegspreisen, sondern mit den hohen Preisen seit Kriegsbeginn", sagte Schmieding. Im Frühjahr 2024 könnte die Inflationsrate dann sogar auf etwa zwei Prozent fallen. Dass es für Entwarnung noch zu früh ist, zeigt auch die Umfrage des Ifo-Instituts: Demnach will knapp jedes zweite Unternehmen in Deutschland seine Preise in den kommenden Monaten erhöhen.

Die nachlassende Inflation in Europas größer Volkswirtschaft nimmt etwas Druck von der Europäischen Zentralbank (EZB), ihren Leitzins auch im kommenden Jahr mit sehr großen Schritten heraufzusetzen. Sie entscheidet am 15. Dezember das nächste Mal über ihre Geldpolitik. "Eine Zinsanhebung von 'lediglich' 50 Basispunkten im Dezember könnte salonfähig werden", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Die EZB hat seit Juli die Schlüsselzinsen in rascher Abfolge drei Mal angehoben um zusammen 2,0 Prozentpunkte. Das macht Kredite teurer, was Investitionen und Konsum hemmen und somit den Preisdruck dämpfen kann. Zugleich riskiert die EZB damit aber auch, dass die wegen hoher Energiepreise angeschlagene Wirtschaft in eine Rezession abrutscht. Die Währungshüter streben zwei Prozent Inflation als Optimalwert an.

(redigiert von Christian Rüttger.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Rene Wagner