Berlin (Reuters) - Trotz der dritten Corona-Welle und Lieferengpässen ist der Industrie-Boom in Deutschland und der Euro-Zone ungebrochen.

Der Einkaufsmanagerindex gab im April nach endgültigen Daten nur leicht auf 66,2 Punkte von 66,6 Zählern im Vormonat nach, wie das Institut IHS Markit am Montag zu seiner Umfrage unter Hunderten Unternehmen mitteilte. Dies ist nach dem Rekordhoch vom März der zweitbeste Wert seit Beginn der Datenaufzeichnung 1996. Das Barometer liegt damit weiter deutlich über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Die Industrie befinde sich im Aufwind - "vor allem dank der anhaltend starken Auftragseingänge", sagte Markit-Ökonom Phil Smith. "Die andauernden massiven Lieferengpässe stellen jedoch nach wie vor ein Risiko für zukünftiges Wachstum dar."

Laut dem Ifo-Institut hakt es vor allem bei Vorprodukten: Besonders betroffen sind davon die Hersteller von Gummi- und Kunststoffwaren, aber auch Autobauer und ihre Zulieferer sowie Computer-Hersteller. Insgesamt berichteten 45 Prozent der vom Ifo im April befragten Industriefirmen von Engpässen. Das ist mit Abstand der höchste Wert seit Januar 1991. "Dieser neue Flaschenhals könnte die Erholung der Industrie gefährden", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Ende März hatte das Containerschiff "Ever Given" tagelang den Suez-Kanal blockiert und damit Importe aus Asien verzögert. Außerdem sind derzeit wegen des kräftigen Aufschwungs in den beiden größten Volkswirtschaften USA und China beispielsweise Computerchips und Holz knapp.

Der weltweit führende Chipfertiger TSMC aus Taiwan rechnet mit einer gewissen Entspannung der Halbleiter-Engpässe in der Autobranche bis Ende Juni. TSMC-Chef Mark Liu sagte dem Sender CBS, er habe im Dezember zum ersten Mal von den Engpässen gehört. Ab dem Folgemonat habe sein Unternehmen alles getan, um so viele Chips wie möglich für die Autohersteller bereitzustellen. "Heute gehen wir davon aus, dass wir die Mindestanforderungen vor Ende Juni erfüllen können." Das bedeute aber nicht, dass die Zeit der Knappheit in zwei Monaten überwunden sei. "Es gibt eine zeitliche Verzögerung. Bei Auto-Chips ist die Lieferkette lang und komplex."

EURO-ZONE MIT "REKORD-LIEFERSCHWIERIGKEITEN"

Trotz der insgesamt gut laufenden Industrie war die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal um 1,7 Prozent geschrumpft. Wegen der Corona-Pandemie geschlossene oder nur eingeschränkt geöffnete Geschäfte belasteten den privaten Konsum. Zugleich hatten viele Verbraucher größere Käufe auf das Jahresende 2020 vorgezogen, um Preisersparnisse aufgrund der zeitweise gesenkten Mehrwertsteuer mitzunehmen.

Die Wirtschaft der Euro-Zone insgesamt schrumpfte dagegen nur um 0,6 Prozent. Die Industrie im gemeinsamen europäischen Währungsraum boomte im April, das Wachstum fiel sogar noch stärker aus als im März. Der finale Einkaufsmanager Index (PMI) stieg binnen Monatsfrist um 0,4 auf 62,9 Punkte und erreichte damit einen neuen Rekord. Überdies notiert das Barometer den zehnten Monat in Folge über der Wachstumsschwelle. "Ausgelöst von den Öffnungsschritten nach den Corona-Lockdowns und den immer optimistischeren Aussichten für das kommende Jahr wurde die Nachfrage im April ungemein beflügelt", so Chris Williamson, Chef-Ökonom bei IHS Markit. "Rekord-Lieferschwierigkeiten" sorgten laut dem Experten jedoch gleichzeitig dafür, dass die Auftragsbestände in nie dagewesenem Tempo zunahmen.