Von Asa Fitch

NEW YORK (Dow Jones)--Die Zusammenarbeit zwischen Halbleiterunternehmen und der Automobilindustrie wird immer enger. Der Grund: Es mangelt an Chips und die Autos werden immer digitaler. Mehr als ein Jahr nach Beginn der Krise knüpfen Führungskräfte von Automobil- und Chipherstellern engere Verbindungen, um den Mangel zu beheben, und arbeiten gemeinsam an der Einführung neuer Produkte. Diese Entwicklung war zu beobachten, als Führungskräfte von Chip-Herstellern wie Intel, Qualcomm und Nvidia vergangene Woche zur IAA Mobility nach München kamen. Sie lockte das Versprechen, Chips für neue Auto-Displays, Fahrerassistenzfunktionen und andere Fahrzeuganwendungen zu verkaufen.

Die Chip-Krise hat den Autoherstellern drastisch vor Augen geführt, wie abhängig sie von Halbleitern geworden sind. Aber Intel-Chef Pat Gelsinger sagte zuletzt vor Vertretern der Autoindustrie auch, dass der Appetit der Autoindustrie auf Prozessoren sie zu einem wichtigeren Kundensegment für Halbleiterunternehmen macht. Ein Fünftel der Materialkosten für die Herstellung von Autos des Premiumsegments werde bis 2030 auf Halbleiter entfallen, gegenüber 4 Prozent im Jahr 2019. "Wir brauchen Sie, und Sie brauchen uns", stellte er auf der Veranstaltung klar. "Dies ist eine symbiotische Zukunft, die wir innovativ gestalten und beliefern, während das Auto zu einem Computer mit Reifen wird."


   Autokonzerne streben direkten Kontakt zu Chipherstellern an 

Selbst als in den vergangenen Jahren immer mehr Chips in Autos eingebaut wurden, blieb die Beziehung zwischen Auto- und Chipherstellern oft indirekt. Die Autohersteller verließen sich weitgehend auf ihre Zulieferer, um die Chips für ihre Fahrzeuge zu kaufen. Diese Diskrepanz trug zur Chipkrise der Automobilindustrie in den vergangenen Monaten bei, heißt es von Führungskräften aus der Auto- und Chipindustrie. Solcherlei Geschäftsbeziehungen werden jetzt wiederhergestellt, so Vertreter der Branche. Der Vorstandsvorsitzende von Daimler, Ola Källenius, sagte dem Wall Street Journal, dass das Unternehmen nun in direktem Kontakt mit den Chipherstellern stehe, um die Versorgung sicherzustellen. Mercedes-Benz musste mit der Chipversorgung jonglieren, wobei es bei einigen Modellen zu Verzögerungen kam und der Konzern die profitabelsten Fahrzeuge bei der Zuteilung von Prozessoren bevorzugte.

Cristiano Amon, Chef des Mobiltelefon-Chipherstellers Qualcomm, sagte, dass der Einsatz von superschnellen 5G-Kommunikationsnetzen dazu beitragen würde, neue Fahrzeugfunktionen zu ermöglichen, einschließlich des Einsatzes von selbstfahrenden Autos. Autofirmen sollten in seinen Worten "alle als Technologieunternehmen und Teil des Technologiesektors gesehen werden". Das bedeutet, dass Autohersteller direkte Verbindungen zu Technologieunternehmen haben müssen.


   Verflechtung beider Branchen wird sich noch intensivieren 

Nach Konzernangaben werden Chips von Qualcomm die Infotainment-Systeme in den neuen Elektroautos von Renault steuern. Das Chip-Unternehmen hat außerdem im Januar vereinbart, seine Zusammenarbeit mit General Motors bei digitalen Cockpit- und Fahrerassistenzfunktionen zu erweitern. Ein weiteres Zeichen für das Interesse von Qualcomm an der Automobilbranche ist das im vergangenen Monat auf den Weg gebrachte Übernahmeangebot in Höhe von 4,6 Milliarden US-Dollar für das schwedische Automobiltechnologieunternehmen Veoneer.

Analysten gehen davon aus, dass sich die Verflechtung zwischen der Chip- und der Autoindustrie noch verstärkt. Das Marktforschungsunternehmen IHS Markit schätzt, dass der Markt für Chips in der Automobilindustrie im Jahr 2027 einen Wert von rund 85 Milliarden Dollar hat, gegenüber 52 Milliarden Dollar in diesem Jahr. Der Automobilsektor bietet den Chipherstellern im Gegensatz zu den reiferen Halbleitermärkten beträchtliche Expansionsmöglichkeiten, so Phil Amsrud, ein IHS-Analyst für den Automobilsektor. Der Absatz neuer Mobiltelefone hänge weitgehend davon ab, dass die Menschen alte Geräte ersetzen, sagte er, während Chips, die in Autos eingebaut werden, immer zahlreicher und ausgefeilter werden.


   Intel feilt an Robotaxis 

Auf der Münchener Auto-Veranstaltung kündigte Gelsinger einen Intel-Robotaxi-Service an, der seine Mobilitäts-App Moovit nutzt, die das Unternehmen vor einem Jahr für etwa 900 Millionen Dollar erworben hat. Dieser verwendet die selbstfahrende Technologie von Mobileye, in welche Intel vor vier Jahren etwa 15 Milliarden Dollar investierte. Mobileye, ein israelisches Unternehmen für autonomes Fahren, liefert Technologie an etablierte Automobilhersteller wie BMW und Ford für ihre Fahrerassistenzsysteme.

Mobileye gab vergangene Woche Pläne bekannt, im nächsten Jahr in Zusammenarbeit mit der Autovermietung Sixt einen Versuch mit einem autonomen Taxidienst in München umzusetzen. Die Israelis werden die autonom gesteuerten Autos besitzen und bereitstellen, und Sixt wird sie warten. Da die Grenzen zwischen Autos und Technologie verschwimmen, gab Ford zuletzt bekannt, dass es Doug Field, einen ehemaligen Manager von Apple und Tesla, als Chef-Techniker eingestellt hat, der direkt an CEO Jim Farley berichtet.


   Tesla entwickelt einen Supercomputer 

Tesla gab vergangenen Monat derweil bekannt, dass das Unternehmen einen eigenen Supercomputer entwickelt, der die Berechnungen für die Software seiner Fahrzeuge realisiert, um seine eigene Fahrerassistenztechnologie zu verbessern. Nvidia, der US-amerikanische Chiphersteller mit der größten Marktkapitalisierung, setzt darauf, dass Autos zu einem Wachstumszentrum werden. Danny Shapiro, Nvidias Vizepräsident für den Automobilbereich, sagte kürzlich, dass das Unternehmen in den kommenden sechs Jahren 8 Milliarden Dollar in das Automobilgeschäft investieren will.

"Wir investieren und sind uns bewusst, dass es sich um ein langfristiges Spiel handelt und die Geschäftsmöglichkeiten enorm sind", freut er sich. Für die Automobilhersteller liegt das Hauptaugenmerk in nächster Zeit jedoch auf dem Mangel an Chips, die in die aktuelle Fahrzeuggeneration eingebaut werden können. Toyota kündigte vergangenen Monat an, mehr als ein Drittel seiner Produktionskapazitäten stillzulegen, um die Chip-Probleme in den Griff zu bekommen, nachdem er die ersten Phasen der Krise erfolgreich gemeistert hatte.


   BMW und VW ächzen unter Chipmangel 

Laut dem Vorstandsvorsitzenden von BMW, Oliver Zipse, bleibt die Chip-Knappheit noch ein weiteres Jahr kritisch. VW-Chef Herbert Diess warnt derweil davor, dass die Automobilindustrie noch jahrelang mit Chip-Knappheit zu kämpfen haben würde. Die Chiphersteller haben reagiert, um die Probleme abzumildern. Intel teilte zuletzt mit, dass es in seinem Werk in Irland einige Produktionskapazitäten für den Automobilsektor bereitstellt. Auch Bosch und Infineon reagieren mit Kapazitätserweiterungen.

(Mitarbeit: William Boston)

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/mgo

(END) Dow Jones Newswires

September 13, 2021 05:17 ET (09:17 GMT)