BERLIN (dpa-AFX) - Nach dem Ja von SPD und FDP bleibt nur noch eine Hürde auf dem Weg zur ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene: Am Montag wird das Votum der Grünen-Mitglieder zum Koalitionsvertrag bekanntgegeben. An einer Zustimmung zweifelt niemand - auch wenn es zuvor Streit über die Postenvergabe gab. Vor dem für den Nachmittag erwarteten Grünen-Votum will die SPD am Vormittag bereits die Besetzung ihrer Ministerposten bekanntgeben.

In ihrem Koalitionsvertrag nehmen sich SPD, Grüne und FDP unter anderem vor, einen Mindestlohn von 12 Euro einzuführen. Um Wohnen bezahlbar zu machen, sollen die Mietpreisbremse für Neuvermietungen verlängert und Mieterhöhungen in bestimmten Gebieten stärker gedeckelt werden. Stromkunden sollen entlastet werden, indem die milliardenschwere EEG-Umlage nicht mehr über die Stromrechnung finanziert wird. Die Parteien verständigten sich auch darauf, ein neues Bundesministerium für Bauen einzurichten und das Wirtschaftsministerium um das Thema Klimaschutz zu erweitern. Bis 2030 soll Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen.

Bis 13.00 Uhr am Montag dürfen die 125 000 Mitglieder der Grünen noch über den Vertrag und das Personaltableau für die neue Regierung abstimmen. Das Ergebnis soll um 14.30 Uhr verkündet werden.

Die SPD benennt zudem um 10.00 Uhr als letzte der drei Ampel-Parteien ihre Minister. Der wohl künftige Kanzler Olaf Scholz wird die Ministerinnen und Minister nach Parteiangaben dann im Willy-Brandt-Haus vorstellen. Neben dem Kanzleramt fallen den Sozialdemokraten die Ministerien für Arbeit und Soziales, Bauen, Gesundheit, Inneres, Verteidigung sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu. Außerdem stellt die SPD den Kanzleramtsminister.

Mit Spannung wird erwartet, wer inmitten der vierten Corona-Welle Gesundheitsminister wird. Der Bundestagsabgeordnete und Epidemiologe Karl Lauterbach hat viele Sympathien auf seiner Seite. Neben ihm ist aber auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher im Gespräch. Er ist Molekularbiologe und Arzt.

Scholz muss bei der Vergabe der Kabinettsposten ein Versprechen erfüllen: Er will mindestens genauso viele Frauen wie Männer in seiner Regierung haben. Dafür müssten von den sieben Bundesministerposten der SPD fünf mit Frauen besetzt werden. Laut Grundgesetz gehören der Bundesregierung nur der Kanzler und die Bundesminister an, nicht die Staatsminister und Staatssekretäre.

Die Grünen besetzen das Außenministerium (Annalena Baerbock), das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Vizekanzler Robert Habeck), das Familienministerium (Anne Spiegel), das Umweltressort (Steffi Lemke) und das Agrarministerium (Cem Özdemir). Die FDP stellt den Finanzminister (Christian Lindner), den Verkehrsminister (Volker Wissing), den Justizminister (Marco Buschmann) und die Bildungsministerin (Bettina Stark-Watzinger).

Stimmen auch die Grünen-Mitglieder zu, soll der 177 Seiten umfassende Koalitionsvertrag mit dem Titel "Mehr Fortschritt wagen" am Dienstag unterzeichnet werden. Am Mittwoch dann könnte Olaf Scholz im Bundestag zum Kanzler gewählt und sein Kabinett vereidigt werden.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus forderte von der neuen Bundesregierung, neue Schulden ausschließlich zur Pandemiebekämpfung aufzunehmen. "Wenn sich Deutschland verschuldet, dann muss das ausschließlich und auf ein Minimum begrenzt für Corona sein - und für sonst nichts", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). "Sich Puffer anzulegen für Wahlversprechen - das ist gegen die Schuldenbremse und mit uns nicht zu machen."

Linken-Co-Chefin Janine Wissler erwartet von der Ampel keinen Aufbruch in Richtung sozialer Gerechtigkeit. Sie sagte der "Rheinischen Post" und dem Bonner "General-Anzeiger" (Montag): "Mit der Ampel wird es keine Umverteilung von oben nach unten geben und keine Vermögensteuer. Wir brauchen aber dringend eine andere Steuerpolitik, um in Klimaschutz zu investieren, die Schulen und Krankenhäuser besser auszustatten und die Armut zu bekämpfen." Wer dazu noch die Schuldenbremse für sakrosankt erkläre, habe kein Geld, diese großen Zukunftsthemen zu finanzieren. Es sei genügend Geld in Deutschland da, doch es bleibe falsch verteilt./mfi/seb/DP/zb