BERLIN (AFP)--Die Grünen sind klar für formelle Koalitionsverhandlungen über die Ampel-Koalition: ein kleiner Parteitag votierte am Sonntag in Berlin nahezu einstimmig für die Aufnahme offizieller Beratungen mit SPD und FDP. Es gab lediglich zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Die Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sehen auf der Grundlage des Sondierungspapiers die Chancen für einen gesellschaftlichen Aufbruch. Die Delegierten lobten die bisherigen Ergebnisse, es wurde aber auch Nachbesserungsbedarf angemeldet.

Es sei jetzt der Punkt erreicht, "den Aufbruch wirklich zu verwirklichen", sagte Baerbock kurz vor der Abstimmung. "Und ich glaube, wir verspüren die gemeinsame Lust, das jetzt anzupacken." Die Grünen-Kanzlerkandidatin würdigte insbesondere die Vereinbarungen zum Klimaschutz als "wirklichen Erfolg".

In dem Sondierungspapier hatte sich die drei Parteien unter anderem zum 1,5-Grad-Pfad und dem Ziel eines Kohleausstiegs "idealerweise" 2030 verständigt. Baerbock räumte ein, dass noch schwierige Verhandlungen bevorstünden: "Es wird ein dickes, hartes Brett werden".

Habeck sieht mit der Ampel die Chance, dem Land eine Politik zu geben, die auf der "Höhe der Zeit" Antworten gebe, wie er vor den Delegierten sagte. Er räumte ein, dass sich die Grünen bei den Sondierungen in bestimmten Punkten nicht durchgesetzt hätten. Habeck nannte dabei die Forderung nach einer moderaten Erhöhung des Spitzensteuersatzes, mit der Bezieher kleinerer Einkommen entlastet werden sollten. Das Ergebnis der Sondierungen sei aber "tragfähig".

"Wir muten uns mit diesem Papier etwas zu", räumte Habeck ein, und fügte mit Blick auf SPD und FDP hinzu: "Aber die anderen auch." Er verwies auf eine Reihe politischer Neuerungen, die im Sondierungspapier festgehalten seien. Dazu gehöre auch die Kindergrundsicherung, ein Mindestlohn von 12 Euro und ein "modernes Einwanderungsrecht" oder die Absenkung des Wahlalters auf 16.

Mit Blick auf die Kritik, dass das Sondierungspapier zu wenig über die Finanzierung nötiger Maßnahmen sage, fügte er hinzu, es sei festgelegt, dass die Investitionen gestemmt werden - wenn auch innerhalb der bestehenden Schuldenbremse. Es sei in den Sondierungsgesprächen mehr besprochen worden, als sich im Papier finde. "Die Korridore sind gesetzt, buchstabieren wir es also aus."

In der fast dreistündigen Debatte lobten die Delegierten die Arbeit des Grünen-Sondierungsteams, nannten aber auch Kritikpunkte - wie etwa bei der Ausgestaltung des Bürgergeldes, das das bisherige Hartz-IV-System ablösen soll.

Zustimmung kam auch aus der Fraktionsspitze. "Wir können wirklich sehr, sehr zufrieden sein", sagte Ko-Chef Anton Hofreiter. Natürlich müsse sich die Partei auch darüber im klaren sein, dass sie bei der Wahl keine 50 Prozent geschafft habe, weshalb sie ihre Forderungen nicht eins zu eins umsetzen könne. Als schmerzhaft bezeichnete, dass das Tempolimit 130 nicht umgesetzt wird.

Ko-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einer "Zeitenwende". Sie hob hervor, dass den Ampel-Parteien in der Bevölkerung ein "neuer Stil" bescheinigt werde. "Das sollten wir beibehalten", sagte sie vor den Delegierten.

Der SPD-Parteivorstand hatte sich bereits am Freitag für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ausgesprochen, die FDP-Gremien wollen am Montag entscheiden. Stimmen sie ebenfalls zu, ist der Weg für die Koalitionsverhandlungen frei. Sie sollen wenige Tage später beginnen.

DJG/hab

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October 17, 2021 11:16 ET (15:16 GMT)