BERLIN (dpa-AFX) - Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt vor einem Behördenchaos, wenn zum 1. Juni auch Geflüchtete aus der Ukraine Anspruch auf Grundsicherung bekommen sollen. Diese Neuerung sei "ohne ausreichende Rücksprache mit der Praxis vorbereitet worden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Gerd Landsberg, der "Augsburger Allgemeinen". Er sprach von einem "enormen Verwaltungsaufwand" für die Kommunen.

Zuvor hatte auch der Deutsche Städtetag große bürokratische Hürden bemängelt - insbesondere durch das Ausstellen spezieller Papiere. Das Bundesarbeitsministerium wies am Sonntag auf dpa-Anfrage wiederum auf eine neu geschaffene Übergangslösung hin, die bürokratische Hürden abbauen soll. So würden in den Jobcentern neben formellen Bescheinigungen aus den Ausländerbehörden nun auch bis Ende Oktober einfache "Ersatzbescheinigungen" anerkannt, um den Geflüchteten den Weg zu den neuen Leistungen zu ebnen.

Der Bundesrat hatte am Freitag ein Gesetz beschlossen, das unter anderem vorsieht, dass Flüchtlinge aus der Ukraine zum 1. Juni 2022 Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II und XII bekommen sollen. Bislang erhält diese Gruppe geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

In Deutschland wurden zuletzt mehr als 700 000 Geflüchtete aus der Ukraine erfasst. All diese Menschen könnten ab Juni die höheren Leistungen beziehen - sofern sie diesen neuen Anspruch geltend machen. Das Innenministerium weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass ein Teil der registrierten Flüchtlinge bereits zurückgekehrt oder in andere Länder weitergereist sein könnte.

Landsberg kritisiert vor allem, dass die Jobcenter nicht über ausreichend fälschungssichere Dokumente der Bundesdruckerei verfügten, über sogenannte "Fiktionsbescheinigungen". Die seien bei noch nicht vollständig registrierten Flüchtlingen Voraussetzung für den Wechsel in die Grundsicherung. "Angesichts vieler ungeklärter Fragen hätte man sich mehr Zeit für das Verfahren nehmen und die Fachleute aus der Praxis früher einbinden müssen", sagte Landsberg. Kritik kam auch aus der Union. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, sprach in der "Augsburger Allgemeinen" von einem "Versagen der Bundesregierung".

Aus dem Bundesarbeitsministerium war am Sonntag zu erfahren, dass es für das Problem mit den Fiktionsbescheinigungen eine Übergangslösung gebe. Die neue "fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit" sehe vor, dass in den Jobcentern neben formellen Fiktionsbescheinigungen bis zum 31. Oktober 2022 auch Ersatzbescheinigungen als Nachweis anerkannt werden. Voraussetzung dafür ist laut Ministerium, dass die Ausländerbehörden die Ersatzbescheinigungen noch vor dem 31. Mai dieses Jahres ausgestellt haben und die Dokumente die gleichen Informationen wie der gesetzlich vorgesehene Vordruck enthalten.

Für den Zeitraum ab 1. Juni 2022 würden dann "ausreichend Vordrucke zur Ausstellung 'echter' Fiktionsbescheinigungen verfügbar sein", versicherte das Arbeitsministerium mit Verweis auf eine entsprechende Information aus dem Bundesinnenministerium.

Als weitere Voraussetzung für den Bezug der neuen Leistungen nannte das Arbeitsministerium eine Erfassung der Geflüchteten im Ausländerzentralregister./faa/DP/jha