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BRÜSSEL (dpa-AFX) - Vor dem EU-Gipfel zeigt sich die Gemeinschaft weiter uneins beim künftigen Verhältnis zur Türkei. Man werde versuchen, bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs eine gemeinsame Linie zu finden, hieß es am Mittwoch aus EU-Kreisen. Daran hängt auch eine Gipfel-Einigung auf mögliche Sanktionen gegen Verantwortliche für Wahlfälschung und Gewalt in Belarus (Weißrussland), die ebenfalls noch nicht gesichert ist.

Von dem Sondergipfel am Donnerstag und Freitag erhofft sich Ratspräsident Charles Michel ein Signal, dass die Europäische Union bei zentralen außenpolitischen Fragen geschlossen und entschlossen in der Welt auftritt. Neben dem Verhältnis zur Türkei und den Beziehungen zu China soll es auch um den Fall des in Russland vergifteten Oppositionellen Alexej Nawalny sowie um die Eskalation in Berg-Karabach gehen.

Ob man zu einer einstimmigen Gipfelerklärung zur Türkei und Belarus kommt, ist aber noch nicht klar, wie ein hoher EU-Beamter am Mittwoch sagte. Man werde versuchen, eine Lösung zu finden. Beides hängt zusammen: Die EU ist sich seit Wochen im Prinzip einig, dass sie Sanktionen gegen belarussische Politiker verhängen will. Zypern blockiert einen einstimmigen Beschluss jedoch, weil es gleichzeitig neue Strafmaßnahmen gegen die Türkei durchsetzen will.

Denn die Türkei lässt im östlichen Mittelmeer Erdgasfelder erforschen, was die Nachbarn Griechenland und Zypern für illegal halten. Zwischen Griechenland und der Türkei sind inzwischen Gespräche vereinbart. Doch gibt es aus Ankara keine ähnlichen Signale der Annäherung mit Zypern, wie der EU-Beamte sagte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte am Mittwoch auch Griechenland noch einmal und warf der Regierung in Athen vor, schuld an dem Erdgasstreit zu sein.

Die EU hatte der Türkei wegen der Erdgas-Erkundungen Ende August ein Ultimatum gesetzt und mit zusätzlichen Sanktionen gedroht - wenn es keine Fortschritte gebe. Ob die Zeichen der Entspannung ausreichen, dürfte beim Gipfel großes Thema werden. Ratschef Michel hat auch eine Ost-Mittelmeer-Konferenz ins Gespräch gebracht und sucht dafür beim Gipfel Rückhalt.

Erwartet wird in jedem Fall, dass der Gipfel die Solidarität mit Griechenland und Zypern bekräftigt, wie es aus Berliner Regierungskreisen hieß. Signale der Gesprächsbereitschaft aus Ankara seien ermutigend - aber weitere Schritte müssten folgen.

Themen des zweitägigen Sondergipfels sollen dann am Freitag auch die Stärkung des in der Corona-Krise geschwächten EU-Binnenmarkts und die Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit Großbritannien für die Zeit nach der Brexit-Übergangsphase ab Januar 2021 sein./jap/DP/fba