ALICANTE (dpa-AFX) - Neun EU-Länder im südlichen Europa haben bei ihrem 9. Gipfeltreffen EU-MED9 im spanischen Alicante über die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in ihrer Region beraten. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez äußerte am Freitagabend zum Abschluss des Treffens die Hoffnung, die EU werde einen "dynamischen" und "effektiven" Gaspreisdeckel beschließen. Der von der EU-Kommission vorgeschlagene relativ hohe Preis von 275 Euro pro Megawattstunde müsse noch "angepasst" werden, sagte der Sozialist. Weitere Themen des Treffens der Staats- und Regierungschefs Spaniens, Frankreichs, Griechenlands, Italiens, Kroatiens, Maltas, Portugals, Sloweniens und Zyperns waren Fragen der Energiesicherheit und der europäischen Zusammenarbeit.

Größere Aufmerksamkeit bekam jedoch ein Treffen von Sánchez mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und Portugals Regierungschef António Costa kurz vor dem Gipfel, bei dem es um den Bau einer Wasserstoff-Pipeline ging. Anschließend nannten sie erstmals Details der Röhre, die bis 2030 fertig sein und von Barcelona durch das Mittelmeer nach Marseille verlaufen soll.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die an der Unterredung teilnahm, begrüßte das Vorhaben als wichtigen Baustein des europäischen Programms REPowerEU, mit dem Investitionen in Energieeffizienz, in erneuerbare Energien und in Infrastruktur der Energieunion ermöglicht werden sollen. Ziel ist es, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, also keine zusätzlichen klimaschädlichen Gase mehr auszustoßen.

Sánchez bezifferte die geschätzten Kosten für einen "grünen Transportkorridor" von Portugal durch Spanien bis nach Frankreich mit insgesamt 2,85 Milliarden Euro. 2,5 Milliarden für die Pipeline durch das Mittelmeer von Barcelona nach Marseille und 350 Millionen Euro für die Verbindung zwischen Portugal und Spanien. Die drei beteiligten Länder setzen nach Worten von Sánchez darauf, dass die EU bis zu 50 Prozent der Kosten übernimmt. Der Antrag für die dafür notwendige Aufnahme des Projekts in die Liste der sogenannten Vorhaben von gemeinsamem Interesse (PCIs) solle noch bis zum Stichtag 15. Dezember in Brüssel eingereicht werden.

Durch die Röhre werde von Anfang an nur Wasserstoff transportiert werden, etwa zwei Millionen Tonnen pro Jahr, sagte Sánchez. Spanien und Portugal setzen auf Wasserstoff, der mit Hilfe von Wind, Sonne oder Wasserkraft produziert wird. Spanischen Medien berichteten jedoch, dass im Antrag für EU-Beihilfen von "erneuerbarem Wasserstoff" die Rede sei, was Wasserstoff einschließe, der mit Atomkraft produziert werde. Diese Formulierung solle die Interessen Frankreichs berücksichtigen, das stark auf Atomkraft setze.

Von der Leyen betonte, die EU werde 2030 schätzungsweise zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff aus nachhaltigen Energiequellen produzieren und noch einmal dieselbe Menge importieren. Dafür seien Transportkapazitäten wie der Energiekorridor von der Iberischen Halbinsel unverzichtbar.

Spanien und Portugal hoffen, mit ihrem großen Potenzial an Wind- und Sonnenkraft im Rahmen der Energiewende und des Kampfes gegen den Klimawandel zu großen Produzenten grünen Wasserstoffs aufzusteigen. Frankreich hingegen sieht die Atomkraft als Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft an.

Italiens neue rechte Regierungschefin Giorgia Meloni hatte ihre Teilnahme kurzfristig wegen Krankheit absagen lassen./ro/DP/mis