Washington/Berlin (Reuters) - Trotz anziehender Konjunktur sieht die US-Notenbank Fed die Zeit für eine schrittweise Abkehr von der sehr lockeren Geldpolitik noch lange nicht gekommen.

Die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell beließen den Leitzins am Mittwoch in der Spanne von null bis 0,25 Prozent. Und den Umfang ihrer monatlichen Wertpapierkäufe in Höhe von 120 Milliarden Dollar wollen sie noch so lange beibehalten, bis "substanzielle weitere Fortschritte" auf dem Weg zu Vollbeschäftigung und Preisstabilität erzielt sind. Die Fed sei noch weit von diesen beiden Zielen entfernt, betonte Powell. Es werde auch noch "geraume Zeit" dauern, bis die angestrebten Fortschritte erreicht seien. Daher sei es noch nicht an der Zeit, über ein Abschmelzen der Wertpapierkäufe zu reden.

Die Notenbank sieht allerdings eine Erholungstendenz bei der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt, die sich in einem Umfeld von Impf-Fortschritten und starker Unterstützung durch Staat und Notenbank vollziehe. Zuletzt meldete sich der von der Corona-Krise arg gebeutelte Jobmarkt mit Macht zurück - im März entstanden 916.000 neue Arbeitsplätze, für den April rechnen Experten mit einem ähnlich hohen Stellenplus.

"Auch wenn der US-Arbeitsmarkt in den letzten Wochen aufgrund der rasanten Impffortschritte positiv überrascht hat, ist er aufgrund der massiven Pandemie-Verwerfungen immer noch deutlich von der Vollbeschäftigung entfernt", so Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW. Powell betonte, noch fehlten 8,5 Millionen Jobs gegenüber dem Vorkrisen-Niveau. 

SIGNALE IM SOMMER ERWARTET

Doch der Konjunkturmotor dürfte zu Jahresbeginn wieder kräftig auf Touren gekommen sein: Für die am Donnerstag anstehenden Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal erwarten von Reuters befragte Experten ein aufs Jahr hochgerechnetes Plus von 6,1 Prozent nach einem Zuwachs von 4,3 Prozent Ende 2020. "Noch hält die US-Notenbank ihre Hand fern vom Hahn, der den üppigen Liquiditätszufluss für die Wirtschaft und Finanzmärkte drosseln könnte. Doch die Diskussion um ein Tapering wird in den kommenden Wochen intensiver werden", so Ökonom Bastian Hepperle vom Bankhaus Lampe. Allerdings werde die Notenbank erst 2022 ihre umfangreichen Wertpapierkäufe schrittweise verringern.

Sollte sich der Aufschwung im Zuge der Impfkampagne und des billionenschweren Corona-Hilfsprogramms des Staates festigen, könnte die Fed bald einen Hinweis auf den Zeitpunkt des Auslaufens der Käufe von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren ankündigen: "Frühestens bei der Juni-Sitzung, höchstwahrscheinlich beim Jackson-Hole-Symposium", meint François Rimeu vom Vermögensverwalter La Française AM. Die von der regionalen Fed von Kansas City ausgerichtete Jackson-Hole-Konferenz könnte Powell auch nach Ansicht anderer Fed-Beobachter Ende August Gelegenheit bieten, den Schwenk von langer Hand vorzubereiten.

Neben der Krisenhelferin Fed spielt mittlerweile die Regierung eine zentrale Rolle auf dem Weg zur Wiedererstarken der Wirtschaft: Die Konsumlust der Bürger wurde unter anderem von einem billionenschwere Pandemie-Hilfspaket von US-Präsident Joe Biden beflügelt, mit dem Millionen Amerikanern Einmalschecks in Höhe von 1400 Dollar ins Haus flatterten.

Nach Einschätzung von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel, sorgt "der massive geld- und fiskalpolitische Impuls" aber auch für inflationären Druck. Powell erklärte mit Blick auf die schrittweise Wiedereröffnung der Wirtschaft im Zuge der abklingenden Pandemiekrise, die Inflation werde zwar anziehen, jedoch sei dies nur ein vorübergehender Effekt. "Eine Abkehr von der Niedrig- beziehungsweise Nullzinspolitik ist sehr unwahrscheinlich", so das Fazit von Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel.