BERLIN (Dow Jones)--Die deutschen Familienunternehmen schlagen wegen der zunehmenden Last der Pensionsrückstellungen im Niedrigzinsumfeld Alarm. Dringend erforderlich seien neue Zinsvorgaben für die Bildung von Pensionsrückstellungen, erklärte die Stiftung Familienunternehmen. Denn die Unternehmen bräuchten gerade in der jetzigen Zeit Eigenkapital und Liquidität als Spielraum für Investitionen. Die künftigen Koalitionspartner müssten diese Risiken für den Fortbestand der betrieblichen Altersvorsorge im Blick haben.

Der seit Jahrzehnten geltende Zinssatz von 6 Prozent im Steuerrecht sollte auf ein marktkonformes Niveau gesenkt werden, forderte der Verband. Für die Handelsbilanz wäre ein fester Zinskorridor empfehlenswert, so das Ergebnis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) für die Stiftung Familienunternehmen.

Aufgrund des hohen im Steuerrecht geltenden Zinssatzes würde laut IW die Direktzusage der Unternehmen für Pensionszahlungen an ihre Mitarbeiter immer unattraktiver, obwohl ihr als dritte Säule neben gesetzlicher Rente und privater Vorsorge eine hohe Bedeutung für die Altersvorsorge zukomme.

Problematisch sei, dass die derzeit faktisch niedrigen Zinsen die sogenannte "Direktzusage" beeinflussten. Bei der Direktzusage bilden die Unternehmen selbst Pensionsrückstellungen, um für ihre Mitarbeiter eine Betriebsrente im Alter zu garantieren. Rund 100.000 Unternehmen in Deutschland täten das.

"Weil diese zukünftige Zahlung mit einem immer niedrigeren Zins auf die Gegenwart heruntergerechnet werden muss, steigt die heute aus dem Unternehmensgewinn dafür zu bildende Rückstellung (der Barwert) immens an - über die Jahre deutlich stärker als die Bilanzsumme", klagen die Familienunternehmen. Laut IW sei die Pensionsrückstellung je Mitarbeiter von 2009 bis 2019 um 42 Prozent gestiegen.

Problematisch sei zudem, dass die Unternehmen Gewinne versteuern müssten, die gar nicht erzielt worden seien. Denn für die Steuerbilanz gelten viel höhere Rechnungszinsen als für die Handelsbilanz nach Handelsgesetzbuch (HGB) - nach wie vor alleinige Basis für die Rechnungslegung fast aller Familienunternehmen.

"Die Familienunternehmen legen immer schon Wert auf eine hohe Eigenkapitalquote", sagte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. "Sie empfinden es als unverständlich und widersprüchlich, wenn künstliche Rechnungszinsen übermäßige Rückstellungen erzwingen, Gewinne drücken und das Eigenkapital schwächen. Gänzlich absurd wird es, wenn sie die nicht erzielten Gewinne auch noch versteuern müssen."

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October 27, 2021 00:00 ET (04:00 GMT)