Berlin (Reuters) - Trotz Materialengpässen und gestörten Lieferketten sind die deutschen Exporte im Juli den 15. Monat in Folge gestiegen.

Sie wuchsen wegen der guten Nachfrage aus den EU-Staaten und den USA um 0,5 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Im Juni war das Plus mit 1,3 Prozent aber noch deutlich höher. Auch deshalb warnt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vor zu großem Optimismus. "Engpässe bei wichtigen Vorprodukten und Rohstoffen sowie die temporären Schließungen chinesischer Häfen bringen das Uhrwerk der internationalen Lieferketten derzeit aus dem Takt, auch wenn die Nachfrage aus dem Ausland nach deutschen Produkten grundsätzlich hoch ist", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.

Ein Warnzeichen ist die Entwicklung der Importe. Diese sanken im Juli überraschend um 3,8 Prozent zum Vormonat. "Der Zufluss von Materialien aus dem Ausland stockt", sagte dazu der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Es ist deshalb wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich der stellenweise nur tröpfchenweise fließende Nachschub an Vorprodukten auch in den Exportzahlen niederschlagen wird." Das dürfte besonders die Autobranche zu spüren bekommen.

Einer DIHK-Umfrage zufolge können 42 Prozent der deutschen Unternehmen bestehende Aufträge nicht abarbeiten. 26 Prozent müssen ihre Produktion drosseln oder gar stoppen. "Die Unsicherheiten im internationalen Handel bleiben mindestens bis Jahresende groß", sagte DIHK-Experte Treier. Mehr als jedes zweite Unternehmen rechnet erst im kommenden Jahr mit einer Erholung von den Lieferschwierigkeiten. Daimler-Chef Ola Källenius sieht gar erst 2023 eine Entspannung bei den für die Autobauer so wichtigen Mikrochips, weil die Nachfrage gleich in mehreren Branchen stark steige und die Produktion nicht nachkomme. "Die Unternehmen arbeiten mit Hochdruck an der Diversifizierung ihrer Lieferketten und alternativen Beschaffungswegen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang.

"WASSER IN DEN WEIN"

Inzwischen liegen die deutschen Exporte um 1,6 Prozent höher als im Februar 2020, dem Monat vor dem Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland, wie die Statistiker mitteilten. "Leider muss ich Wasser in den Wein gießen", sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle dazu. "Die guten Exportdaten sind überwiegend eine Folge von Preiseffekten." Inflationsbereinigt werde das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Mit anderen Worten: Die Exporte wachsen vor allem wegen höherer Preise, nicht wegen eines höheren Absatzes.

Insgesamt verkauften die Unternehmen Waren im Wert von 115,0 Milliarden Euro ins Ausland. Verglichen mit Juli 2020 ist das eine Zunahme von 12,4 Prozent. Dabei wuchsen die Ausfuhren zum wichtigsten Exportkunden USA um 15,7 Prozent auf 10,8 Milliarden Euro, während die nach China um 4,3 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro sanken. Das Auslandsgeschäft mit den EU-Ländern legte um 17,7 Prozent auf 61,6 Milliarden Euro zu.

Der DIHK hat seine Exportprognose wegen der von den USA und China angeführten Erholung der Weltwirtschaft kürzlich erhöht. Deutsche Firmen dürften demnach 2021 acht Prozent mehr ausführen. In der ersten sieben Monaten des Jahres lag das Plus bei 16,1 Prozent, wobei sich die Ausfuhren auf 788,1 Milliarden Euro summierten. Wegen der Corona-Krise waren sie 2020 um mehr als neun Prozent eingebrochen.