- von Jörn Poltz

München (Reuters) - Als erster Spitzenmanager im Volkswagen-Dieselskandal muss der frühere Audi-Chef Rupert Stadler mit einer Verurteilung rechnen.

Nach zweieinhalb Jahren Verhandlungsdauer vor dem Landgericht München hat sich nach Ansicht der Strafkammer der Vorwurf des Betrugs erhärtet, wie der Vorsitzende Richter Stefan Weickert am Dienstag in einer vorläufigen Einschätzung sagte.

Für Stadler sowie den früheren Audi-Motorenchef und Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und den Ingenieur Giovanni P. kämen Freiheitsstrafen in Betracht, sagte der Richter am 161. Verhandlungstag. Die Strafen könnten "bei einem vollumfänglichen Geständnis" zur Bewährung ausgesetzt werden. Laut Gesetz kann Betrug mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft werden, in schweren Fällen mit bis zu zehn Jahren. Mit einem Urteil wird im Lauf der kommenden Monate gerechnet.

"Die Angeklagten Hatz und Stadler sind nicht geständig", sagte der Richter. Den angeklagten Ingenieur Giovanni P. sehe die Kammer "nicht als vollumfänglich geständig an". Beim vierten Angeklagten, ebenfalls ein Ingenieur, sieht das Gericht hingegen keine nennenswerten Belege für eine Straftat. Richter, Staatsanwaltschaft und dessen Verteidiger einigten sich in der Verhandlung auf eine Einstellung des Verfahrens gegen diesen Angeklagten gegen eine Geldauflage, die noch ausgehandelt werden soll. Die Verteidiger der übrigen Angeklagten äußerten sich nicht zu ihrem weiteren Vorgehen.

Das Gericht strich die Anzahl der aus seiner Sicht noch im Raum stehenden Betrugsfälle durch manipulierte Automotoren zusammen. Die Kammer sieht auch keine Anhaltspunkte für die von der Staatsanwaltschaft neben dem Betrugsvorwurf angeklagten Straftaten der Falschbeurkundung und der strafbaren Werbung. Weickert sagte, der Betrugsvorwurf umfasse in den USA vertriebene Autos mit Ausnahme bestimmter Varianten des Porsche Cayenne und des VW Touareg. Er umfasse zudem bestimmte Fahrzeuge, die in Deutschland an Vertragshändler im Einzelkundengeschäft oder an die VW-Leasinggesellschaft verkauft wurden.

Der Prozess gegen Stadler und drei frühere Audi-Ingenieure ist eines der prominentesten Gerichtsverfahren zur Aufarbeitung des Dieselskandals bei Volkswagen und der Konzerntochter Audi. Der Skandal um millionenfach manipulierte Abgaswerte war im September 2015 aufgeflogen. Der Prozess läuft seit September 2020.

Laut Anklage sollen die drei Ingenieure Motoren derart manipuliert haben, dass sie gesetzliche Abgaswerte zwar auf dem Prüfstand, aber nicht auf der Straße einhielten. Firmenchef Stadler soll es nach Bekanntwerden des Skandals versäumt haben, den Verkauf der manipulierten Autos zu stoppen. Wie der Richter am Dienstag sagte, kommen für die Taten bei Stadler nun die Zeit ab dem 11. Juli 2016 und bei den übrigen Angeklagten die Zeit bis zum 20. November 2015 in Betracht. Weil Audi eine zentrale Rolle bei der Motoren-Entwicklung von Volkswagen spielte, sollen die Angeklagten für vielfache Täuschung nicht nur bei dem Ingolstädter Autobauer, sondern auch bei den Schwestermarken Porsche und VW verantwortlich sein.

(Bericht von Jörn Poltz. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)