New York (Reuters) - Der reichste Mann der Welt und Chef des Elektroautobauers Tesla, Elon Musk, hat künftig beim Kurznachrichtendienst Twitter das Sagen.

Am Montagabend stimmte das weltweit bekannte Unternehmen mit mehr als 217 Millionen Nutzern der Kaufofferte in Höhe von 44 Milliarden Dollar zu. Musk will die 16 Jahre alte Firma nun von der Börse nehmen. Die Zukunft von Twitter unter Musk sei ungewiss, sagte Twitter-Chef Parag Agrawal zu Mitarbeitern. Musk bezeichnet sich selbst als absolutistischen Verfechter der Meinungsfreiheit. Bisher hat er angekündigt, den Dienst benutzerfreundlicher zu machen und Algorithmen offenzulegen.

Experten rechnen damit, dass es weniger Moderation geben wird und verbannte Politiker wie Donald Trump zurückkehren können. Verbraucherschützer äußerten die Sorge, dass zu wenig gegen Hassrede und Falschinformation getan werden könnte. "Ich hoffe, dass selbst meine schlimmsten Kritiker auf Twitter bleiben, denn das ist es, was Redefreiheit bedeutet", schrieb Musk in seinem ersten Tweet nach der Einigung. EU-Industriekommissar Thierry Breton betonte: "Unabhängig ob Autos oder soziale Medien, jedes Unternehmen in Europa muss sich an unsere Regeln halten." Die EU hatte erst am Freitag mit dem Digital Services Act (DSA) ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Online-Plattformen dazu zwingen soll, stärker gegen Hass und Hetze und andere illegale Inhalte vorzugehen oder hohe Strafen zu riskieren. Der DSA soll 2024 in Kraft treten.

Der 50-jährige Musk hatte Anfang April bekanntgegeben, rund neun Prozent an Twitter zu besitzen, und später eine Kaufofferte über 54,20 Dollar je Aktie vorgelegt. Dies sei der "beste Weg vorwärts" für die Twitter-Aktionäre, sagte Verwaltungsratsmitglied Bret Taylor nun zu Musks Barangebot. Die Verhandlungen darüber hatten über das Wochenende Fahrt aufgenommen. Zunächst hatte Twitter zurückhaltend auf die Offerte reagiert. Doch als Musk sein Finanzierungspaket auf den Tisch gelegt habe und kein anderer Bieter aufgetaucht sei, habe der Vorstand "mit dem Rücken zur Wand" gestanden, sagt Medienanalyst Daniel Ives von der Investmentfirma Wedbush.

TRUMP WILL NICHT ZU TWITTER ZURÜCK

Musk sagte: "Twitter hat außerordentliches Potenzial. Ich freue mich darauf, mit dem Unternehmen und Nutzern daran zu arbeiten, es auszuschöpfen." Trotz stetig wachsender Nutzerzahlen und der Rolle des Dienstes beim politischen Austausch sprudeln bei Twitter im Gegensatz zu Konkurrenten wie Facebook oder Google bisher die Gewinne nicht. Nun ist die Frage, ob Musk schnell Wege findet, um die Einnahmen zu erhöhen. Am Donnerstag wird Twitter zunächst Einblick in das erste Quartal geben.

Der frühere US-Präsident Donald Trump gab bekannt, nicht auf Twitter zurückzukehren, sondern bei seinem eigenen Twitter-Klon Truth Social zu bleiben. Trump hatte vor seinem Ausschluss in Folge des Sturms auf das Kapitol Anfang 2021 fast 90 Millionen Menschen mit seinem Twitter-Konto erreicht und damit sogar mehr als Musk, der aktuell auf rund 84 Millionen kommt. Dieser hatte die Sperrung von Trumps Konto damals scharf kritisiert.

Die Twitter-Aktie schloss Montag mit einem Plus von 5,7 Prozent auf 51,70 Dollar. Am Dienstag kletterte sie vorbörslich leicht, lag aber immer noch unter dem Kaufpreis. Zum Schlusskurs an dem Tag, bevor Musk seine Twitter-Beteiligung öffentlich machte, bietet der Deal einen Aufschlag von fast 40 Prozent. Trotzdem liegt die Offerte deutlich unter den 70 Dollar, zu denen der Anteilsschein zeitweise im vergangenen Jahr gehandelt worden war.

SORGEN BEI TESLA-INVESTOREN

Der Twitter-Vorstand hat dem Deal bereits zugestimmt, nun müssen noch die Aktionäre und Aufsichtsbehörden grünes Licht geben. Noch vor den ersten Verhandlungen hatte Musk erklärt, die 54,20 Dollar je Aktie seien sein "bestes und letztes" Angebot. Twitter zufolge steuert Musk, der laut Forbes mit 265 Milliarden Dollar Vermögen reichste Mann der Welt, 21 Milliarden Dollar bei und hat den Rest über Finanzierungen sichergestellt. Twitter-Gründer und -Großaktionär Jack Dorsey, der erst im vergangenen Jahr den Chefposten an Agrawal abgegeben hat, begrüßte die Übernahme durch Musk: "Es ist der erste richtige Schritt, das Unternehmen der Wall Street zu entziehen." Das dürfte laut dem Kapitalmarktstrategen von RoboMarkets, Jürgen Molnar, noch in diesem Jahr passieren.

Mit Blick auf das weit verzweigte Firmennetz von Musk, zu dem neben Tesla und Twitter auch SpaceX, Neuralink sowie The Boring Company gehören, sorgten sich Tesla-Investoren, ob Musk überlastet sein könnte. "Die Firma ist so groß oder größer wie die größten Unternehmen der Welt, aber sie hat keine Managementstrukturen wie andere Firmen", sagte Tesla-Investor Ross Gerber vom Vermögensverwalter Gerber Kawasaki. Ein Fondsmanager, der seinen Namen nicht in der Presse lesen wollte, sagte mit Blick auf den Twitter-Kauf: "Ich fürchte, dass wird eine Ablenkung." Aktuell fährt Tesla seine Produktion trotz Lieferschwierigkeiten und höheren Materialkosten in den Fabriken in Texas und Grünheide bei Berlin hoch.