Zürich (awp) - Die Aussichten für die Schweizer Wirtschaft trüben sich weiter ein. Eine Rezession im 2023 erwartet der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse in seiner neuesten Prognose allerdings nicht. Ein grosses Fragezeichen sei aber die Energiesituation.

Das Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) dürfte gemäss Einschätzung des Verbandes nächstes Jahr real um 0,6 Prozent zulegen. "Es ist zwar nicht auszuschliessen, dass wir über die Wintermonate in eine technische Rezession fallen. Aber mit einem Negativwachstum über das gesamte Jahr rechnen wir nicht", sagte Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch am Montag an einer Medienkonferenz.

Eine technische Rezession bedeutet zwei Quartale in Folge mit negativen Wachstumsraten. Vor allem von der Situation an den Energie- bzw. Strompreisen dürfte die Gesamtentwicklung abhängen. "Eine Strommangellage schwebt wie ein Damoklesschwert über der konjunkturellen Entwicklung", so der Verband.

Eine solche würde zu "drastischen Verwerfungen" führen und hätte wohl eine Rezession auch in der Schweiz zur Folge. Gut 20 Prozent der Firmen hätten für nächstes Jahr keine gebundenen Stromlieferverträge mehr und würden daher von einem starken Preisanstieg massiv getroffen, so Minsch.

Grosse Abwärtsrisiken

Die "grossen Abwärtsrisiken" seien denn auch der Grund, dass man lediglich mit einem "fragilen Wachstum auf dünnem Eis" rechne. Der Verband befragt im Zusammenhang mit der Konjunkturprognose jeweils auch seine Mitglieder. Neben der Energiekrise, die mit 27 Prozent von den Verbandsmitgliedern als grösstes Konjunkturrisiko am häufigsten genannt wird, bereiten aber auch die Inflation (20%), ein genereller Nachfragerückgang (16%) oder anhaltende Lieferkettenprobleme (14%) gewisse Sorgen in der Wirtschaft.

Sollte etwa die Inflation nur mit drastischen Zinsschritten unter Kontrolle gebracht werden, würde dies gleichzeitig auch das schwache Wachstum abwürgen. Zudem wäre auch das Wachstum des Weltmarkts gefährdet, sollte die Inflation weiter grassieren. Und ein weiteres Fragezeichen bilde die Entwicklung der Null-Covid-Politik in China. Die Fortführung einer solchen Politik könnte die Lieferengpassproblematik befeuern.

Entsprechend den vielen Risiken gibt es laut Economiesuisse aber auch positive Szenarien. Ein rasches Ende des Ukraine-Konflikts beispielsweise, stark fallende Energiepreise oder eine unerwartet schnelle Rückkehr zur Preisstabilität würden das Wachstum der Weltwirtschaft und damit auch die schweizerische Entwicklung sehr positiv beeinflussen, heisst es etwa.

Einigermassen freundliches Basisszenario

Im Basisszenario des Verbandes für 2023 sind derweil der private Konsum und die Ausrüstungsinvestitionen die Stützen des Wachstums, während der Bau, der öffentliche Konsum und der Aussenhandel das Wachstum negativ beeinflussen dürften.

Die Inflation dürfte derweil 2023 noch nicht substanziell sinken und mit rund 2,7 Prozent im Durchschnitt weiterhin über dem Zielband der Schweizerischen Nationalbank (SNB) verbleiben. Auch Ende 2023 wird die Inflation gemäss Minsch noch immer auf rund 2,5 Prozent verharren. Dazu beitragen würden neben den höheren Strompreisen vor allem höhere Nominallöhne, höhere Preise für Vorleistungen, anhaltende Knappheiten für viele Güter oder steigende Mietkosten.

Entsprechend rechnet der Verband mit weiteren Zinsschritten der SNB. In 10 Tagen anlässlich der nächsten Zinssitzung geht Chefökonom Minsch von einer Erhöhung des Leitzinses durch die Nationalbank um 50 Basispunkte aus, zudem erwartet er ein bis zwei zusätzliche Zinsschritte im nächsten Jahr.

Weiterhin relativ gut halten dürfte sich der Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote steigt gemäss der Prognose im Jahresdurchschnitt lediglich von 2,2 Prozent im laufenden Jahr auf 2,4 Prozent im kommenden Jahr an.

uh/rw