Frankfurt (Reuters) - Die Währungshüter der Europäische Zentralbank wollen angesichts der dritten Welle der Corona-Pandemie ihre Geldschleusen weiterhin weit offen halten.

Die Euro-Wächter um Notenbankchefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag auf ihrer Zinssitzung zwar keine neuen Konjunkturhilfen. Sie stellten aber in Aussicht, nötigenfalls alle ihre Instrumente anzupassen. "Der kurzfristige Ausblick bleibt durch Unsicherheit eingetrübt, was das Wiederaufflammen der Pandemie und das Anlaufen der Impfkampagnen betrifft", sagte Lagarde. Nach wie vor sei ein großes Ausmaß an geldpolitischer Unterstützung für die Wirtschaft der Euro-Zone notwendig.

Die EZB hatte im März entschieden, das Tempo bei ihren umfangreichen Anleihenkäufen im Rahmen des Notfall-Programms PEPP im zweiten Quartal deutlich zu erhöhen. Damit will sie dafür sorgen, dass die Finanzierungskosten für Unternehmen, Staaten und Haushalte während der Virus-Krise niedrig bleiben. "Wir haben immer noch einen langen Weg vor uns, bis wir die Pandemie überwunden haben, und die Erholung nachhaltig und kräftig ist", sagte Lagarde. Den Leitzins beließ die Notenbank auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Dort liegt er bereits seit März 2016. Auch an ihrem Einlagesatz, der bei minus 0,5 Prozent liegt, rüttelte sie nicht. Damit müssen Finanzinstitute weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank parken.

Die EZB stützt die Wirtschaft der Euro-Zone während der Corona-Krise mit einer Vielzahl von geldpolitischen Maßnahmen. Wichtigste Waffe im Kampf gegen die konjunkturellen Folgen der Pandemie ist das Anleihenkaufprogramm PEPP, das Staatsanleihen, Firmenanleihen und andere Titel umfasst. Es wurde mittlerweile bereits zweimal aufgestockt und hat einen Kaufrahmen von 1,85 Billionen Euro. Die Transaktionen sollen noch bis mindestens Ende März 2022 fortgesetzt werden. Daneben hat die Notenbank extrem günstige, langfristige Kreditspritzen für Banken aufgelegt.

"Der Fokus liegt weiterhin darauf, für günstige Finanzierungsbedingungen zu sorgen", kommentierte Ulrich Wortberg, Volkswirt bei der Helaba, die Beschlüsse. Interessanter werde es vermutlich bei der nächsten Ratssitzung im Juni sein. "Dann könnte das Kaufvolumen innerhalb des flexibel nutzbaren Pandemie-Programms PEPP kritischer überprüft werden." Aus Sicht von Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank hat Lagarde aktuell keinen Zwang zum Handeln. "Die dritte Corona-Welle hinterlässt erneut schwerwiegende wirtschaftliche Bremsspuren", meint der Experte. "Dies alleine reicht aus, um eine weiterhin ultra-expansive Geldpolitik zu rechtfertigen."

Lagarde zufolge ist zwar damit zu rechnen, dass die Inflation im Euro-Raum in den nächsten Monaten steigen wird. Der zugrundeliegende Preisdruck bleibe aber verhalten. Die Finanzierungsbedingungen seien zuletzt weitgehend stabil geblieben. Aber Gefahren blieben bestehen, sagte die EZB-Chefin. Die EZB will momentan unbedingt verhindern, dass die Kredit- und Finanzierungskosten für Unternehmen, Staaten und Haushalte steigen. Dies würde mitten in der Pandemie die ohnehin geschwächte Konjunktur weiter dämpfen. Zugleich wies Lagarde aber auch Fortschritte bei den Impfkampagnen hin. Zusammen mit einer erwarteten allmählichen Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen spreche dies für die Prognose einer kräftige Erholung der Wirtschaft im weiteren Jahresverlauf.

LAGARDE: NOCH KEINE DISKUSSION ÜBER AUSLAUFEN VON PEPP

Lagarde wiederholte bei ihrer Beschreibung der konjunkturelle Lage das Bild eines Patienten, der aus einer schweren Krise kommt, aber immer noch auf zwei Krücken angewiesen ist. Die eine Krücke stehe für die geldpolitischen Stützungsprogramme, die zweite für die fiskalischen Hilfen, sagte Lagarde. "Ich glaube dieses Bild spricht für sich selbst."

Die Debatte über den richtigen Zeitpunkt für eine etwas weniger lockere Geldpolitik ist aber schon entbrannt. So hatte der niederländische Notenbankchef Klaas Knot unlängst davon gesprochen, dass die EZB im Falle einer robusten Konjunkturerholung das Ende der Notfall-Anleihenkäufe des PEPP-Programms einleiten könnte. Diese könnten dann graduell immer weiter verringert und wie vorgesehen Ende März 2022 beendet werden. Zu solchen Überlegungen sagte Lagarde, über ein Auslaufenlassen der PEPP-Käufe sei auf der Sitzung nicht gesprochen worden. "Denn das ist einfach zu früh", sagte sie. Andere Währungshüter hatten zuletzt vor einem vorschnellen Ausstieg aus den Krisenhilfen gewarnt.