Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras warnt vor einer verfrühten Abschaffung der Hilfsmaßnahmen zur Stützung der krisengebeutelten Wirtschaft im Euro-Raum.

Ein starker Anstieg der Covid-19-Infektionszahlen könnte zu einer tieferen Rezession als ursprünglich erwartet und zu einer verzögerten Erholung führen, schrieb das EZB-Ratsmitglied in einer am Mittwoch veröffentlichten Kolumne für das "Handelsblatt". Um das zu verhindern, sollten alle verfügbaren Instrumente sowie produktivitätssteigernde Strukturreformen gleichzeitig eingesetzt werden. "Das Auslaufen der Unterstützungsmaßnahmen sollte so lange hinausgezögert werden, bis die Erholung auf gutem Wege ist," forderte er.

Eine vorzeitige Rücknahme der Unterstützung könne die Erholung verzögern, schrieb der Notenbanker. Dies könne einen Klippeneffekt erzeugen. "Das bedeutet, dass Insolvenzen, notleidende Kredite und strukturelle Arbeitslosigkeit ansteigen, wenn die Investitionen aufgrund hoher Unsicherheit und schlechter wirtschaftlicher Aussichten zurückgehen." Diese Faktoren könnten sogar zu einer lange anhaltenden Stagnation mit andauerndem Preisdruck führen.

Stournaras nahm zudem das europäische Bankensystem unter die Lupe. Die Krise erfordere eine beschleunigte Vollendung der Bankenunion, schrieb der Notenbanker. "Dabei sollte dem europäischen Einlagensicherungssystem Priorität eingeräumt werden." Eine gemeinsame europäische Einlagensicherung (EDIS) ist allerdings nach wie vor umstritten. In Deutschland befürchten Kritiker des Projekts unter anderem, bei Problemen von Banken in Südeuropa könnten heimische Geldhäuser mit in die Haftung genommen werden.

"Außerdem ist es unerlässlich, die nächste Generation notleidender Engagements anzugehen und den Kreditfluss in die Realwirtschaft zu sichern", forderte das EZB-Ratsmitglied. Dabei denkt Stournaras an die Gründung von Vermögensverwaltungsgesellschaften - vorzugsweise auf europäischer Ebene.