Frankfurt/London (Reuters) - Die EZB wird die Zinsen laut Chefvolkswirt Philip Lane noch mehrfach anheben müssen, auch wenn die Inflation ihren Höhepunkt fast erreicht haben dürfte.

Es werde noch einige Zeit dauern, bis die Teuerungsrate im Euroraum zum Ziel der EZB von 2,0 Prozent zurückkehre, sagte Lane der Zeitung "Milano Finanza" vom Dienstag. "Wir gehen davon aus, dass weitere Zinserhöhungen notwendig sein werden. Aber es wurde bereits viel getan", fügte der Ire hinzu. Diese Vorarbeit gelte es beim Zinsbeschluss am 15. Dezember zu berücksichtigen. Aus Sicht des zyprischen Notenbankchefs Constantinos Herodotou ist die Notenbank bereits "sehr nahe" an einem neutralen geldpolitischen Niveau, das die Konjunktur nicht mehr anregt, allerdings auch nicht bremst.

Er gehe davon aus, dass es wohl weitere Erhöhungen geben werde, sagte das EZB-Ratsmitglied auf einer Bloomberg-Veranstaltung. Trotz des derzeitigen Abschwungs erwarte er nicht, dass es zu einer "harten Landung der Wirtschaft" im Euroraum kommen werde. Er verwies auf die Stützungsmaßnahmen der Regierungen in der Energiekrise und einen weiterhin robusten Arbeitsmarkt.

In der Führungsetage der Europäischen Zentralbank (EZB) mehrten sich zuletzt die Stimmen, die nach zwei großen Zinsschritten in Folge nun eine weniger aggressive Gangart erwarten - auch, weil sich zuletzt Hinweise auf ein Abebben des hohen Preisdrucks ergaben. Lane sagte, er sei "einigermaßen zuversichtlich", dass die Inflation wahrscheinlich nahe dem Gipfelpunkt sei. Angesichts des deutlichen Anstiegs der Erdgas-Preise schließe er für Anfang nächsten Jahres allerdings einen weiteren Anstieg nicht aus.

Im September und Oktober hatte die EZB den geldpolitischen Schlüsselsatz um jeweils 0,75 Prozentpunkte erhöht. Der Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt damit bei 1,50 Prozent. Für die Sitzung in der nächsten Woche wird nun eine Erhöhung um einen halben Prozentpunkt erwartet. Die Inflationsrate hatte sich im November auf 10,0 von 10,6 Prozent im Oktober verringert. Die Abschwächung vom bisherigen Rekordniveau dürfte den Währungshütern Argumente liefern, bei den Zinserhöhungen den Fuß etwas vom Gas zu nehmen.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde zufolge hält sich die Notenbank im Kampf gegen die Inflation alle Türen für Zinserhöhungen offen. Wie viel weiter die EZB noch gehen und wie schnell sie dahin kommen müsse, hänge von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehörten die Wirtschaftsprognosen der EZB-Volkswirte, das Ausmaß der wirtschaftlichen Krise, die Entwicklung der Löhne sowie die Inflationserwartungen.

(Bericht von Balazs Koranyi, Marc Jones, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)