Frankfurt (Reuters) - EZB-Chefvolkswirt Philip Lane warnt davor, einen längeren Zeitraum mit einer zu niedrigen Inflationsrate im Euro-Raum hinzunehmen.

Eine Tolerierung würde sich negativ sowohl auf die Erholung des Konsums als auch auf die Investitionen auswirken, sagte er am Donnerstag bei einer Online-Veranstaltung des Trinity College in Dublin. "Eine länger dauernde Phase mit einer noch niedrigeren Inflationsrate zu tolerieren als ursprünglich angenommen, wäre kostspielig und riskant", betonte Lane. Auch die Inflationserwartungen würden dann fallen und sich womöglich auf einem tieferen Niveau festschreiben.

Im Oktober waren die Preise in der Euro-Zone den dritten Monat in Folge gefallen, was die EZB zunehmend unter Handlungsdruck setzt. Die Inflationsrate lag bei minus 0,3 Prozent. Auch im September hatte sie bei minus 0,3 Prozent gelegen, nach minus 0,2 Prozent im August. Negative Inflationsraten sind nicht mit dem EZB-Ziel von Preisstabilität vereinbar, das die Notenbank bei einer Teuerungsrate von knapp zwei Prozent verortet. Allerdings verfehlt sie diese Marke bereits seit Jahren. Experten gehen davon aus, dass die Währungshüter auch längerfristig ihr Ziel nicht erreichen.

Die EZB will neue Konjunktur- und Inflationsprognosen zu ihrer Zinssitzung am 10. Dezember veröffentlichen. Dann wird sie wahrscheinlich zusätzliche Hilfsmaßnahmen für die von der zweiten Pandemie-Welle gebeutelte Wirtschaft auf den Weg bringen, wie EZB-Chefin Christine Lagarde unlängst signalisierte. Auf ihrer Zinssitzung im Oktober bereitete die Notenbank dafür bereits den Boden vor, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Sitzungsprotokoll hervorgeht. "Es wurde betont, dass jedwedes Zeichen der Selbstzufriedenheit - selbst ungewollte - im gegenwärtigen Umfeld schädlich sein könnten," hieß es darin. Zwar habe im dritten Quartal eine starke konjunkturelle Wende eingesetzt. "Gleichzeitig tauchten klare Gefahren für das Wachstum des Bruttoninlandsprodukts im vierten Quartal auf", urteilten die Währungshüter.

Aus Sicht von EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann wird der Umfang möglicher neuer Schritte von den Konjunkturprognosen abhängen. "Man wird nicht nur über weitere Ankaufprogramme nachdenken, sondern sämtliche Möglichkeiten diskutieren müssen," sagte Österreichs Notenbankchef in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem "Börsen-Kurier". Aktienkäufe seien aber nicht angedacht. Auch eine weitere Absenkung der EZB-Einlagezinsen hätte aus Sicht von Holzmann nicht die gewünschte langfristige Wirkung. EZB-Chefin Lagarde hat bereits skizziert, wie ein neues Hilfspaket aussehen könnte. Das große Pandemie-Anleihenprogramm PEPP und auch die gezielten mehrjährigen Liquiditätsspritzen (TLTROs) hätten ihre Wirksamkeit im derzeitigen Umfeld erwiesen, sagte sie unlängst. Beide blieben Hauptinstrumente zur Justierung der Geldpolitik.