Brüssel/Berlin (Reuters) - Die Vorschläge der EU-Kommission zu strengeren Abgas-Grenzwerten für Autos sind sowohl in der Autoindustrie als auch bei Umweltverbänden auf Kritik gestoßen.

Die vorgeschlagenen Vorgaben entsprächen nicht dem Stand der Technik und führten auch weiterhin jährlich zu Hunderttausenden Erkrankungen und vorzeitigen Todesfällen in Europa, kritisierte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am Donnerstag. Die DUH warf der EU-Kommission vor, den Vorschlag auf Druck der Autoindustrie entschärft zu haben. Greenpeace bezeichnete es als "skandalös, dass die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag die Gesundheit der Menschen hinter die Kostenrechnung der Autoindustrie stellt." Die EU-Kommission gebe der Industrie eine Freikarte, im nächsten Jahrzehnt praktisch nichts mehr bei den Emissionen von Benzin- und Dieselfahrzeugen zu verbessern, sagte der Grünen-Abgeordnete Bas Eickhout.

Dem EU-Vorschlag zufolge sollen nach der Euro-7-Norm nur noch Dieselfahrzeuge zugelassen werden, die nicht mehr als 60 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen - so viel wie Benzinautos heute schon. Für Benziner ändert sich nichts. Erstmals sind auch Grenzwerte für den Abrieb von Reifen und Bremsen vorgesehen. Die Norm soll für Autos gelten, die ab dem 1. Juli 2025 auf den Markt kommen, für Busse und Lastwagen wird sie zwei Jahre später eingeführt.

Die Autoindustrie bewertete den Vorschlag unterschiedlich. Der Präsident des europäischen Auto-Branchenverband ACEA und BMW-Chef Oliver Zipse sagte, der Vorschlag bedeute höhere Kosten für die Autos bei nur geringen Vorteilen für die Umwelt. Der deutsche Autoverband VDA erklärte, die strengeren Normen seien in so kurzer Zeit nicht umsetzbar. Die technische Entwicklung wäre teuer, so dass die Verbraucher deutlich mehr für Autos bezahlen müssten. VW-Markenchef Thomas Schäfer hatte etwa im Juli gesagt, eine aufwändigere Abgasreinigung werde ein Auto um 3000 bis 5000 Euro verteuern.

Besonders schwerwiegend seien die Auswirkungen bei den mit Diesel fahrenden Nutzfahrzeugen, erklärte der ACEA weiter. Dort verzögere die Norm den Wandel hin zu emissionsfreien Fahrzeugen, weil die Unternehmen mehr in die Entwicklung von Verbrennern investieren müssten, was auf Kosten der Elektrotrucks gehe. Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius dagegen begrüßte den Vorschlag. Dieser trage wie der "Green Deal" der EU effizient dazu bei, Emissionen zu reduzieren und die Luftqualität zu verbessern.

Ende Oktober hatte sich die EU auf ein Gesetz geeinigt, das den Verkauf neuer Benzin- und Dieselfahrzeuge ab 2035 verbietet. Damit soll der Umstieg auf Elektrofahrzeuge beschleunigt und der Klimawandel bekämpft werden.

(Bericht von Philip Blenkinsop, Christina Amann, Ilona Wissenbach; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)