London/Frankfurt (Reuters) - Die EU-Kommission will mit einem Reformpaket die Schaffung einheitlicher Kapitalmärkte in der Gemeinschaft vorantreiben.

Zu den am Donnerstag vorgestellten Maßnahmen gehören die Schaffung eines europaweiten Daten-Registers für Aktien- und Anleihenkurse (Consolidated Tape) sowie eine zentrale öffentliche Informationsschnittstelle für Unternehmensdaten (ESAP). Zudem sollen die Regeln für langfristige europäische Investmentfonds (ELTIF) sowie die Vorschriften (AIFMD) für Hedgefonds, Private-Equity-Fonds und weitere alternative Fonds angepasst werden. Die Pläne stießen auch auf Kritik.

"Es ist wichtig, dass wir unsere eigenen Kapitalmärkte entwickeln", sagte EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness. Das europaweite Datenregister für Kurse und die zentrale Schnittstelle für Firmendaten seien ein entscheidender Moment auf dem Weg zur Kapitalmarktunion. Die Vorschläge müssen vom EU-Parlament und den EU-Ländern gebilligt werden, um Gesetz zu werden. Auf dem Weg dahin sind noch Änderungen zu erwarten.

Die ESAP-Schnittstelle soll 2024 ihren Betrieb aufnehmen und bei der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA angesiedelt werden. Langfristige europäische Investmentfonds (ELTIF) sollen künftig leichter für Kleinanleger zugänglich werden. Die Vorschläge sehen auch ein Verbot der umstrittenen Praxis des sogenannten 'Payment for Order Flow' (PFOF) vor, bei dem Online-Broker Kundenaufträge an bestimmte Handelsplätze vermitteln und dafür eine Vergütung erhalten. Damit solle sichergestellt werden, dass Broker im besten Interesse ihrer Kunden handeln, hieß es zur Begründung. Online-Broker hatten im Vorfeld für eine Beibehaltung dieser Vergütungspraxis geworben.

Zudem sollen alternative Investmentfonds, die in der EU aktiv sind, künftig auch ausreichend vor Ort präsent sein. Die Vorschriften für die sogenannte Delegierung, wenn ein solcher Fonds in der EU von außerhalb der Ländergemeinschaft gemanaged wird, sollen klarer gefasst werden.

DEUTSCHE VERSICHERER SEHEN ESAP-PLÄNE POSITIV

Die deutschen Versicherer begrüßten die Pläne für eine zentrale Schnittstelle für Firmendaten. "Vom einfachen Datenzugriff profitieren würden auch mittelgroße Unternehmen, die bislang zu selten auf dem Radar institutioneller Investoren sind," erklärte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen. Beim Bankendachverband Deutsche Kreditwirtschaft (DK) hieß es, die Rolle der Banken als Mittler zwischen Anlegern und Emittenten sowie als Kreditgeber dürfe nicht geschwächt werden. Es müsse dafür gesorgt werden, dass beim "Consolidated Tape" alle Datenlieferanten denselben strengen Qualitätsanforderungen unterliegen. Verbesserungsbedarf sieht die DK noch bei den Plänen für eine Schnittstelle für Firmendaten.

Die Grünen im EU-Parlament kritisierten die Vorschläge. "Einer wirklichen Kapitalmarktunion werden die Pläne nicht gerecht", erklärte ihr finanzpolitischer Sprecher, Sven Giegold. Dafür brauche es eine Harmonisierung zentraler Bereiche zwischen den Mitgliedsstaaten wie Steuer-, Unternehmens-, Insolvenz-, Aufsichts- und Verbraucherschutzrecht. Die Kommission pflücke weiter nur die tief hängenden Früchte am Wegesrand. "Dem Ziel der Kapitalmarktunion kommen wir so kaum näher."

Der Deutsche Derivate Verband (DDV) plädierte dafür, das PFOF-Vergütungsmodell sorgfältig zu untersuchen und keine Vorfestlegungen zu treffen. "Die Investmentkultur muss weiter gestärkt werden - hier sollte das Angebot nicht von vornherein regulatorisch eingeschränkt werden", erklärte der geschäftsführende DDV-Vorstand Henning Bergmann. Ein solcher Eingriff benötige eine Rechtfertigung auf solider Grundlage.