Brüssel/Berlin (Reuters) - Angesichts der Impffortschritte in der Corona-Pandemie traut die EU-Kommission der Euro-Zone und auch Deutschland nunmehr einen kräftigen Aufschwung zu.

In ihrer Frühjahrsprognose erhöhte sie am Mittwoch die Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr auf 4,3 Prozent von 3,8 Prozent im Februar. Die mit dem Ausblick verbundenen Risiken fielen in der Abwägung nicht mehr so stark ins Gewicht wie im Winter, betonte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. "Die Erholung ist nicht länger eine Fata Morgana, sie ist im Gange", fügte der Italiener hinzu. Doch dürfe sie nicht durch verfrühtes Zurückfahren der Konjunkturhilfen gefährdet werden.

Um den Ländern mehr Spielraum zu verschaffen, setzt die EU die Haushaltsregeln für die Staaten der Währungsunion noch länger aus - bis Ende 2022. Die kostspieligen Maßnahmen der Länder, die Wirtschaft im Lockdown über Wasser zu halten, haben Schuldenberge und Haushaltsdefizite mächtig anwachsen lassen: Für die gesamte Euro-Zone erwartet die Kommission, dass die Staatsschuldenquote im laufenden Jahr auf 102,4 Prozent des BIP anwachsen wird - nach 100 Prozent im Jahr 2020. Für nächstes Jahr wird ein Rückgang auf 100,8 Prozent erwartet.

Das zusammengenommene Haushaltsdefizit in den Staaten der Währungsunion soll 2021 auf 8,0 Prozent des BIP anschwellen, bevor es 2022 wohl auf 3,0 Prozent zurückgeht. Angesichts dieser Entwicklung bleibe die als Basis für die Aussetzung der Maastricht-Regeln geltende "allgemeine Ausweichklausel" im EU-Stabilitätspakt bis Ende nächsten Jahres in Kraft, sagte Gentiloni. Die Verschuldungsgrenzen der EU waren im vergangenen Jahr bis Ende 2021 suspendiert worden. Mit der Bekanntgabe des Termins für die Wiedereinführung soll den Staaten genug Zeit gegeben werden, ihre Haushaltsplanung entsprechend anzupassen.

Nächstes Jahr dürfte es vielen Ländern der Euro-Zone konjunkturell bereits wesentlich besser gehen: Die EU-Kommission erhöhte die BIP-Prognose für den Währungsraum auf 4,4 von 3,8 Prozent. Sie erklärte, das nun in Gang kommende Wachstum ruhe im Zuge der Wiedereröffnung der Wirtschaft nach der Krise auf mehreren Säulen: Neben privatem Konsum und Investitionen werde auch der Export durch die steigende Nachfrage an den Weltmärkten angekurbelt. Bis Ende 2022 dürfte demnach in allen Mitgliedstaaten der Währungsunion das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht sein.

FRANKREICH WÄCHST WOHL SCHNELLER ALS DEUTSCHLAND

Für Deutschland erwartet die Brüsseler Behörde für dieses Jahr ein Wachstum von 3,4 Prozent, 2022 soll es sogar ein Plus von 4,1 Prozent geben. Im Februar war für 2021 nur ein Zuwachs von 3,2 Prozent unterstellt worden und für 2022 ein Plus von 3,1 Prozent. Für Frankreich rechnet die Kommission mit einem noch stärkeren Aufschwung: dieses Jahr soll das Land beim BIP um 5,7 Prozent zulegen und 2022 um 4,2 Prozent. Auch Italien dürfte demnach mit einem Plus von 4,2 Prozent im Jahr 2021 und einem Zuwachs von 4,4 Prozent im kommenden Jahr eine stärkere Wachstumsdynamik zeigen als Deutschland. Allerdings war auch der Konjunktureinbruch im Pandemiejahr 2020 weit heftiger als hierzulande.