Kommentare, Einschätzungen und Entwicklungen zur Energieversorgung und -sicherheit in Deutschland:


Verivox: Gaspreise im Jahresvergleich verdreifacht 

Die Verbraucherpreise für Gas haben dem Vergleichsportal Verivox zufolge neue Rekordwerte erreicht. Im Jahresvergleich hätten sich die Gaskosten verdreifacht, teilte Verivox mit. Die Bundesregierung erklärte zwar, dass die weitere Entwicklung am Energiemarkt nicht absehbar sei, Verivox geht dennoch von weiteren Preissteigerungen aus. Mit dem Preisniveau vom August 2021 ergaben sich laut Berechnungen von Verivox für eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Schnitt Kosten von 1.258 Euro. Nach aktuellen Preisen müsste dieselbe Familie 3.568 Euro zahlen - "ein Anstieg um 184 Prozent", erklärte das Vergleichsportal. "Der Preis wird jedoch noch deutlich höher steigen, denn die Großhandelspreise für Gas liegen derzeit deutlich über diesem Niveau", analysierte das Portal. "Daher müssen sich Verbraucherinnen und Verbraucher auch in den kommenden Monaten auf weiter steigende Preise einstellen." Hinzu komme die von der Regierung angekündigte Gasumlage, mit der Zusatzkosten für die Importeure durch ausbleibende Lieferungen aus Russland auf alle Gaskunden umgelegt werden sollen, erklärte Verivox. Für die Beispielfamilie mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden "bedeutet das unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer Mehrkosten zwischen 357 und 1.190 Euro".


Scholz: Regierung erwägt etwas längere Atomkraft-Nutzung 

Die Bundesregierung erwägt laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angesichts des drohenden Energiemangels eine etwas längere Atomkraft-Nutzung. Die Kraftwerke seien zwar "ausschließlich relevant für die Stromproduktion und nur für einen kleinen Teil davon", sagte Scholz in Mülheim an der Ruhr. "Aber trotzdem kann das Sinn machen." Scholz verwies auf den "unterschiedlichen" Ausbau der erneuerbaren Energien in den Bundesländern. "Sie wissen, dass das insbesondere in Bayern, der langsam vorangegangen ist, mit dem Ausbau der Windenergie." Auch der Ausbau der Übertragungsnetze in den Süden sei "nicht so schnell vorangegangen ist, wie das geplant war". All dies müsse berücksichtigt werden.


Scholz: Für reduzierte russische Gaslieferungen gibt es keine technischen Gründe 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat klargestellt, dass es für die Reduzierung der Gaslieferungen Russlands an Deutschland aus technischer Sicht keinen Anlass gibt. "Die Nichteinhaltung der Lieferverträge hat keine technischen Gründe", sagte Scholz bei einem Besuch bei Siemens Energy in Mülheim an der Ruhr, wo er eine dort zur Auslieferung an Russland bereitstehende Turbine für die Pipeline Nord Stream 1 in Augenschein nahm. Mit dem Fehlen dieser Turbine, die in Kanada gewartet worden war, hat der russische Energiekonzern Gazprom die Reduzierung der Gas-Liefermenge auf inzwischen nur noch 20 Prozent des möglichen Umfangs begründet. Die Turbine "kann jederzeit eingebaut und eingesetzt werden", betonte jedoch Scholz.


Schröder empfiehlt Inbetriebnahme von Nord Stream 2 

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich angesichts des drohenden Gasmangels für eine Inbetriebnahme der neuen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ausgesprochen. Das wäre "die einfachste Lösung", sagte er in einem Interview mit dem Magazin Stern und dem Sender RTL/ntv. Für derzeit ausbleibende Gaslieferungen aus Russland über die bestehende Nord-Stream-1-Leitung machte Schröder vor allem den Konzern Siemens verantwortlich. Nord Stream 2 "ist fertig", sagte der Altkanzler, der als Verwaltungschef der Betreiberfirma der neuen Gasleitung fungiert. "Wenn es wirklich eng wird, gibt es diese Pipeline, und mit beiden Nord-Stream-Pipelines gäbe es kein Versorgungsproblem für die deutsche Industrie und die deutschen Haushalte." Schröder machte unterdessen dem Konzern Siemens Vorwürfe. Dass derzeit nur 20 Prozent der normalen Gasmenge durch Nord Stream 1 flössen, "liegt in der Verantwortung von Siemens, wenn ich das richtig sehe", sagte er. Siemens habe die in den vergangenen Wochen viel diskutierte Turbine für Nord Stream 1 aus der Wartung in Kanada nach Mülheim an der Ruhr gebracht. "Warum sie dort ist und nicht in Russland, verstehe ich nicht."


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August 03, 2022 06:03 ET (10:03 GMT)