Kommentare, Einschätzungen und Entwicklungen zur Energieversorgung und -sicherheit in Deutschland:


Aiwanger will abgeschaltete Atomkraftwerke reaktivieren 

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) will wegen befürchteter Energieengpässe bereits stillgelegte Atomkraftwerke reaktivieren. Aiwanger sagte im Deutschlandfunk, man müsse alles ans Netz nehmen, was verantwortbar sei. Das Ende 2021 abgeschaltete bayerische Atomkraftwerk Gundremmingen C verfüge über Brennstäbe, die bis August 2023 Strom liefern könnten. Auch die beiden anderen zu diesem Zeitpunkt vom Netz genommenen Kraftwerke sollten wieder hochgefahren werden. Für die drei verbliebenen Atomkraftwerke, die bis Ende dieses Jahres laufen sollen, forderte Aiwanger ebenfalls längere Laufzeiten. Zuvor hatte sich die FDP-Bundestagsfraktion für die Nutzung dieser drei Kraftwerke bis Anfang 2024 ausgesprochen. Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, sagte der Bild-Zeitung, das sei der Zeitraum, in dem Energieknappheit drohe. Deshalb müsse man dafür gewappnet sein.


CDU-Politiker Jung fordert schnelleres Handeln der Regierung 

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Andreas Jung, hat der Bundesregierung zu zögerliches Handeln in der aktuellen Energiekrise vorgeworfen. "Es muss jetzt mehr gespart und es muss schneller ersetzt werden. Noch immer verbrennen wir 12 Prozent Gas in Gaskraftwerken", sagte Jung im ZDF-Morgenmagazin. "Die angekündigte Auktionierung der Industrie ist von der Bundesregierung seit Wochen angekündigt worden - die soll erst im Herbst kommen. Dann kann es aber zu spät sein." Es müsse jetzt die Gasverstromung gedrosselt werden. Außerdem sei "endlich" eine Initiative von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Ländern und kommunalen Spitzenverbänden nötig, um einen Gassparpakt für Deutschland auf den Weg zu bringen. Jung mahnte zudem weitere Entlastungen für Menschen mit geringen oder mittleren Einkommen an. Es drohe eine soziale Schieflage. Nötig sei eine sofortige Verdoppelung des Heizkostenzuschlags und man sollte die Einkommensgrenzen weiterziehen.


Habeck: Wir sind in einer ernsten Situation 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die Bevölkerung und die Wirtschaft nach der weiteren Drosselung der Gaslieferungen aus Russland zum Einsparen von Gas aufgefordert. "Wir sind in einer ernsten Situation. Es wird auch Zeit, dass das alle verstehen", sagte Habeck am Montagabend in den ARD-Tagesthemen. Der Gasverbrauch müsse in Deutschland um 15 bis 20 Prozent reduziert werden. Sollte es zu einer Gasmangellage kommen, würde die Versorgung der Industrie reduziert werden, bevor private Haushalte oder geschützte Infrastrukturen wie Krankenhäuser Gasreduktionen erleiden müssten. Dann würden bestimmte Produktionsketten in Deutschland oder Europa nicht mehr funktionieren. Wenn die Verbrauchssenkung geschafft werde, "dann haben wir eine ganz gute Chance mit all den Maßnahmen, diesen Schritt nicht gehen zu müssen", so Habeck.


Gazprom reduziert tägliche Gaslieferung durch Nord Stream auf 20% 

Russland fährt die Gaslieferungen durch die nach Deutschland führende Ostsee-Pipeline Nord Stream noch einmal drastisch zurück. Die Durchleitungen an der Portowaja-Station würden von Mittwoch an, 06.00 Uhr MESZ, auf täglich nur noch 33 Millionen Kubikmeter Gas am Tag gekürzt, erklärte der Energiekonzern Gazprom am Montag im Online-Dienst Telegram. Dies entspricht in etwa 20 Prozent der Kapazität der Pipeline, die derzeitigen Liefermengen erreichen rund 40 Prozent.


Baden-württembergischer Gasgipfel stimmt Bevölkerung aufs Stromsparen ein 

Baden-Württemberg startet eine Kampagne zum Energiesparen. Damit will das Land Bevölkerung, Verwaltung und Wirtschaft Anregungen zum Einsparen von Gas und Strom geben, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte. Ziel sei es, 20 Prozent des Gasverbrauchs einzusparen. "Das ist möglich, dann kommt es zu keiner Gasmangellage". Kretschmann ergänzte: "Aus vielen Peanuts wird eine große Nuss."


SPD-Fraktionsvize Miersch sieht Akw-Weiterbetrieb skeptisch 

Der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, sieht einen Weiterbetrieb der drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland weiterhin skeptisch. "Bislang sprechen die technischen, finanziellen und sicherheitsrelevanten Aspekte klar gegen jeden weiteren Betrieb deutscher Atomkraftwerke", sagte Miersch den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie mit unglaublichen Gefahren für Mensch und Umwelt." Die Sicherheitsüberprüfungen der verbleibenden Atommeiler lägen zudem 13 Jahre zurück. Auch das müsse in der Diskussion ausreichend berücksichtigt werden. Er verwies jedoch auch auf die laufende Prüfung durch das Bundeswirtschaftsministerium. "Es bleibt dabei: Zur seriösen Krisenprävention gehören stets alle Optionen geprüft", sagte Miersch.


Esken: Argumente für Atomkraft-Ausstieg gelten weiter 

Bei der Frage der möglichen Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke entscheidet die Bundesregierung nach den Worten der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken nicht ideologisch. Das Bundeswirtschaftsministerium prüfe aktuell erneut, ob die verbliebenen drei Atomkraftwerke über das Ende des Jahres hinaus am Netz bleiben könnten. Allerdings betonte sie im ZDF-Morgenmagazin, dass die Argumente für einen Ausstieg aus der Atomkraft, wie beispielsweise die ungelöste Atommüll-Endlagerung, nach wie vor gelten.


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July 26, 2022 03:53 ET (07:53 GMT)