Berlin (Reuters) - Krieg in der Ukraine, stark steigende Preise, Corona-Lockdowns in China: Wegen geballter Risiken droht die deutsche Wirtschaft im laufenden Frühjahrsquartal anders als zum Jahresauftakt zu schrumpfen.

"Angesichts des schwierigen Umfelds hält sich die deutsche Wirtschaft zwar noch gut", sagte der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Guido Baldi, am Mittwoch. "Dennoch wird das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal wohl vorübergehend etwas schrumpfen." Zu Jahresbeginn hat es noch zu einem Mini-Plus gereicht: Dank steigender Investitionen wuchs die Wirtschaft zwischen Januar und März um 0,2 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt eine frühere Schätzung bestätigte.

Während die Exporte zu Jahresbeginn um 2,1 Prozent sanken und auch die privaten Konsumausgaben schwächelten, legten die Investitionen in den ersten drei Monaten deutlich zu. Wegen der milden Witterung wuchsen die Bauinvestitionen in den Wintermonaten trotz deutlicher Preisanstiege um 4,6 Prozent. In Ausrüstungen wie Maschinen und Fahrzeuge wurden 2,5 Prozent mehr investiert als im Vorquartal.

Für ein maues Frühjahr spricht vor allem die schlechte Stimmung der Verbraucher. Diese haben weniger Kaufkraft zur Verfügung, ist doch die Inflationsrate mit aktuell 7,4 Prozent so hoch wie seit 1981 nicht mehr. Das Barometer der Nürnberger GfK-Marktforscher signalisiert deshalb für Juni nach dem jüngsten Einbruch nur einen kleinen Anstieg. Es legt demnach um 0,6 Zähler zu auf minus 26,0 Punkte. "Damit verbessert sich das Konsumklima zwar geringfügig, die Konsumstimmung ist aber nach wie vor an einem absoluten Tiefpunkt", erklärte GfK-Experte Rolf Bürkl, dessen Institut im Mai ein Rekordtief gemessen hatte.

"In den kommenden Quartalen werden die hohen Energiepreise den Konsum belasten, die gestiegene Unsicherheit wird die Unternehmensinvestitionen dämpfen und die gestiegenen Zinsen werden die Wohnungsbauaktivität bremsen", sagte der Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Sebastian Dullien. Daher müsse mit einem ebenfalls schwachen Frühjahr gerechnet werden. ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski erwartet einen leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung.

ARBEITSMARKT BLEIBT ROBUST

Ein Grund dafür sind die Folgen des russischen Einmarsches in die Ukraine. Das belastet die Weltwirtschaft, was wiederum Export-Europameister Deutschland zu spüren bekommt. Strikte Lockdowns beim wichtigsten deutschen Handelspartner China wiederum stören die ohnehin belasteten globalen Lieferketten weiter. Schon jetzt sitzen die deutschen Industriebetriebe auf einem Rekordberg von Aufträgen, die jedoch wegen fehlender Bauteile wie Mikrochips nur schleppend abgearbeitet werden können.

Es gibt aber auf Hoffnungsschimmer. Der Ifo-Geschäftsklimaindex als wichtigster Frühindikator kletterte im Mai bereits den zweiten Monat in Folge. "Anzeichen für eine Rezession sind derzeit nicht sichtbar", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Ein kräftiger Aufschwung ist aber auch nicht in Sicht. "Gegenwind kommt insbesondere von der hohen Inflation, den Lieferengpässen, der hohen Unsicherheit und der schwächeren Auslandsnachfrage", heißt auch im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank. "Hohe Energie- und Materialkosten sowie die gestiegene Unsicherheit belasten zudem die Produktion in der Industrie und im Bau."

Den steigenden Preisen steht ein robuster Arbeitsmarkt gegenüber. Trotz vieler Unsicherheiten planen die Unternehmen in Deutschland vermehrt Neueinstellungen. Das Beschäftigungsbarometer kletterte im Mai um 1,2 auf 104,0 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut zu seiner monatlichen Umfrage unter Tausenden Unternehmen mitteilte. "Die robuste Wirtschaftsentwicklung in Deutschland zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Für das Gesamtjahr 2022 erwartet die Bundesregierung in ihrer Frühjahrsprognose nur noch ein Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent. Im Januar hatte sie noch ein Plus von 3,6 Prozent veranschlagt.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)