Berlin (Reuters) - Delta und Omikron, Inflation und Lieferprobleme: Dieser Cocktail war Ende 2021 Gift für die deutsche Konjunktur.

Die Wirtschaft schrumpfte zwischen Oktober und Dezember überraschend stark um 0,7 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Nun droht sogar eine vorübergehende Rezession, bevor die Wirtschaft dann ab dem Frühjahr im Zuge sinkender Inzidenzen die Virus-Pandemie schrittweise abschütteln sollte. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach von gedämpfter Dynamik zum Jahresanfang, zeigte sich aber zuversichtlich für 2022. "Wir haben eine robuste Wirtschaft und einen stabilen Arbeitsmarkt." In diesem Jahr werde die Konjunktur um 3,6 und 2023 um weitere 2,3 Prozent zulegen.

Die Statistiker hatten Mitte Januar zwar in einer ersten groben Schätzung einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 0,5 bis 1,0 Prozent für Ende 2021 veranschlagt. Nach zuletzt positiven Konjunkturdaten hatten Ökonomen aber nur mit einem Minus von 0,3 Prozent gerechnet. "Der Abwärtssog war gewaltig", sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. "Die deutsche Wirtschaft steckte in der Corona- und Materialmangelfalle fest." Das hohe Infektionsgeschehen und die Beschränkungen hätten einmal mehr die Dienstleister belastet.

Das Statistikamt erklärte, die Wirtschaftskraft sei noch im Sommer trotz Liefer- und Materialengpässen gewachsen. "Die Erholung der deutschen Wirtschaft wurde durch die vierte Corona-Welle und erneute Verschärfungen der Corona-Schutzmaßnahmen zum Jahresende gestoppt." Besonders die Ausgaben der Verbraucher sanken, während die staatlichen Konsumausgaben zunahmen. Die Bauinvestitionen gingen im Vergleich zum Sommer zurück.

HOFFNUNGSTRÄGER KONSUM - RISIKO CHINA

Gerade die Verbraucher sollen die Wende bringen. Mussten sie sich zuletzt mit Kino-, Theater- und Restaurantbesuchen sowie beim Shoppen zurückhalten, könnte demnächst der Knoten platzen. "Sobald die aktuelle Covid-Welle abflacht, dürften die Menschen wieder mehr für den Konsum ausgeben", sagte Sebastian Dullien vom IMK-Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Zwar dämpften die hohen Energiepreise derzeit die verfügbare Kaufkraft. "Aber die Deutschen haben dafür in der Corona-Zeit rund 200 Milliarden Euro zusätzlich gespart, von denen einiges in den Konsum fließen dürfte."

Der Rückgang beim BIP zum Jahresende war das erste Minus seit Anfang 2021. Fachleute gehen davon aus, dass Corona die Konjunktur auch im laufenden Quartal belastet. So könnte es zu einer technischen Rezession kommen - wenn die Wirtschaftskraft also in zwei Vierteljahren in Folge sinkt. "Omikron und Lieferketten bleiben vorerst hartnäckige Spielverderber", sagte Chefökonom Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. "Für das laufende Quartal ist an eine dynamische Wachstumsrückkehr nicht zu denken." Auch Jens-Oliver Niklasch von der LBBW rechnet mit einem mauen Jahresstart 2022 - "zumal üblicherweise hohe Inflation eine echte Konsumbremse ist".

2021 hatte die Wirtschaft um revidiert 2,8 Prozent zugelegt. Dies konnte den Einbruch aus dem ersten Corona-Krisenjahr 2020 von 4,6 Prozent nicht ausgleichen. Wegen anhaltender Risiken etwa durch globale Lieferengpässe ist Deutschland noch lange nicht aus dem Schneider. Denn eine Verschärfung der Corona-Krise in China durch die Omikron-Variante könnte einer Studie zufolge die Erholung der deutschen Wirtschaft stark bremsen. Dann könnte sich das für 2022 erwartete Wachstum von vier Prozent auf nur noch 2,1 Prozent fast halbieren, teilte das Analyse- und Beratungsunternehmen Prognos zu einer Simulationsrechnung mit. Die deutsche Wirtschaftsleistung würde 2022 dann um 61 Milliarden Euro geringer ausfallen als gedacht. [L8N2U81U7]

Frankreichs Wirtschaft legte derweil trotz Omikron Ende 2021 überraschend stark um 0,7 Prozent zu und schaffte im Gesamtjahr mit sieben Prozent das stärkste Wachstum seit 1969. Allerdings war die Wirtschaft von Deutschlands Nachbar im Corona-Rezessionsjahr 2020 auch massiv um 8,0 Prozent eingebrochen. Die Konjunktur in Spanien zog 2021 um fünf Prozent an und damit so kräftig wie seit 2000 nicht mehr, wobei das BIP zum Jahresende um zwei Prozent kletterte.