Berlin (Reuters) - Die Wirtschaft in Deutschland und der Euro-Zone verliert auch wegen der unter Engpässen leidenden Industrie im September überraschend deutlich an Schwung.

Der Einkaufsmanagerindex für die deutsche Privatwirtschaft fiel um 4,7 auf 55,3 Punkte, wie das Institut IHS Markit am Donnerstag zu seiner monatlichen Umfrage unter Hunderten Firmen aus Dienstleistungssektor und Industrie mitteilte. Das Kieler IfW-Institut senkt derweil seine Konjunkturprognose für Deutschland 2021 massiv auf 2,6 von 3,9 Prozent. Die Forscher erwarten aber nächstes Jahr mehr Schwung und 5,1 (bisher 4,8) Prozent Wachstum. "Der Aufholprozess bleibt intakt, bekommt aber über das Winterhalbjahr eine Delle", sagte IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths.

Die anhaltenden Corona-Maßnahmen und Lieferengpässe bei wichtigen Vorprodukten sind laut IfW hartnäckiger und gravierender als erwartet und "verschieben den Schlussspurt in das kommende Jahr". Deshalb werde die Wirtschaft ihr Vorkrisenniveau erst im ersten Quartal 2022 erreichen und damit ein halbes Jahr später als noch im Juni gedacht. Insgesamt beläuft sich dem IfW zufolge der Verlust an Wirtschaftsleistung durch die Corona-Krise in den Jahren 2020 bis 2022 auf etwa 320 Milliarden Euro. "Die Lieferengpässe kosten die Industrie schätzungsweise in diesem Jahr 40 Milliarden Euro Wertschöpfung, von der ein großer Teil nachgeholt werden dürfte, sobald die Lieferengpässe überwunden sind."

WIRTSCHAFT ÄCHZT UNTER LIEFERENGPÄSSEN UND HÖHEREN PREISEN

Der Materialmangel und steigende Kosten machen laut Markit-Umfrage den Firmen weiter zu schaffen. Sie blickten zwar positiv nach vorn und setzten auf eine Ende der Pandemie, sagte Markit-Experte Phil Smith. "Dennoch werden die Wachstumserwartungen von der Besorgnis über die Lieferketten und den Risiken für die Nachfrage aufgrund steigender Preise getrübt." Der neunte Jobaufbau in Folge bei Industrie und Dienstleistern fiel so schwach aus wie seit Mai nicht mehr.

Auch für die Wirtschaft im Euro-Raum sank der Einkaufsmanagerindex von IHS Markit überraschend deutlich - und zwar um 2,9 auf 56,1 Punkte. Das an den Finanzmärkten stark beachtete Barometer hielt sich aber klar über der Marke von 50, ab der es Wachstum anzeigt. "Der Höhepunkt des Nachfragebooms im zweiten Quartal 2021 wurde überschritten", erklärte das Institut. Lieferengpässe und der stärkste Preisanstieg seit 21 Jahren bremsten das Wachstum. "Es mehren sich die Zeichen, dass die Wirtschaft im Euroraum das hohe Wachstumstempo im Schlussquartal nicht wird halten können", sagte Commerzbank-Analyst Christoph Weil.

Jörg Zeuner, der Chefökonom von Union Investment, sieht aber keinen Anlass zur Sorge: "Je weiter sich die Wirtschaft vom Corona-Schock des vergangenen Jahres erholt, desto geringer wird das Potenzial für große Wachstumssprünge." Zudem könne die Euro-Zone anders als die USA oder Großbritannien mit Blick auf die Corona-Pandemie etwas durchatmen, "weshalb sich die Nachfrage nach Dienstleistungen hier kräftiger entwickelt als anderswo".