- von Patricia Uhlig und Hans Seidenstuecker

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing will sein Institut ohne Staatsgelder durch die schlimmste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten steuern.

"Wir sind gut gerüstet, die Herausforderung zu meistern, die das aktuelle Umfeld mit sich bringt", sagte der 50-Jährige am Mittwoch bei der virtuellen Hauptversammlung des größten deutschen Geldhauses. Die Bank sei deutlich besser mit Kapital und Liquidität ausgestattet als vor ein paar Jahren. "Somit stellt sich die Frage nach einem potenziellen Einstieg des Staates nicht." Auch eine erneute Kapitalerhöhung solle es nicht geben.

Während der Finanzkrise vor gut einem Jahrzehnt hatte der damalige Vorstandschef Josef Ackermann betont, die Deutsche Bank werde im Gegensatz zu anderen Instituten ohne Hilfe der Bundesregierung durch die Krise kommen. Die auf Ackermann folgenden Bankbosse musste die Aktionäre in den Jahren danach allerdings um rund 30 Milliarden Euro frisches Kapital anbetteln. Aufsichtsratschef Paul Achleitner versicherte nun in seiner Ansprache an die Aktionäre, die Deutsche Bank stehe heute wesentlich besser da. "In der letzten großen Krise vor zwölf Jahren waren Banken das Problem. Diesmal können und wollen wir Teil der Lösung sein."

Bis Anfang Mai habe die Deutsche Bank von weltweit 120.000 Kunden, die wegen der Corona-Krise in Schwierigkeiten geraten seien, Anfragen für Kreditstundungen erhalten und den Großteil davon auch gewährt, sagte Sewing. Jedoch sei erst in der zweiten Hälfte 2020 mit dem Höhepunkt der Corona-Krise zu rechnen. Im ersten Quartal erhöhte die Bank ihre Risikovorsorge für faule Kredite bereits auf rund eine halbe Milliarde Euro, andere Finanzinstitute in Europa legten deutlich mehr zur Seite.

"KEIN ENDE DER DURSTSTRECKE FÜR DIE AKTIONÄRE IN SICHT"

Achleitner verteidigte den im Sommer gestarteten, gut sieben Milliarden Euro teuren Umbau, bei dem 18.000 Mitarbeiter ihren Job verlieren. "Diese Strategie ist die Grundlage dafür, unsere Bank wieder nachhaltig profitabel zu machen." 2019 fuhr sie einen Verlust von 5,7 Milliarden Euro ein, einen Gewinn wird es wohl auch dieses Jahr nicht geben.

Dennoch erhielten Sewing und Achleitner Rückendeckung von Großinvestoren wie der Fondsgesellschaft Deka. "Das Management hat in den letzten zwölf Monaten gute Arbeit geleistet", sagte Portfoliomanager Andreas Thomae. "Die Umbauarbeiten sind noch im vollen Gang, aber die Wende im Konzern ist vollzogen und ein Erfolg zeichnet sich ab." Fondsmanagerin Alexandra Annecke von Union Investment war kritischer. "Die Deutsche Bank ist für eine tiefe Rezession nicht gut gerüstet", sagte sie und kritisierte, dass der Konzernumbau viel zu spät angegangen worden sei. "Für die Aktionäre ist kein Ende der Durststrecke in Sicht" Eine Dividende verspricht die Bank erst ab 2022 wieder.

Die Aktien legten am Mittwoch zwar um vier Prozent auf 6,85 Euro zu - sie lagen aber nur wenige Cent über dem Kurs am Tag der letztjährigen Hauptversammlung.

"NACH ZEHN JAHREN MUSS ES DANN AUCH GENUG SEIN"

Achleitner machte erstmals deutlich, dass er nach dem Ablauf seiner Amtszeit 2022 den Weg für einen neuen Aufsichtsratschef frei machen will. "Ich beabsichtige, mich der Verantwortung bis zum Ende meiner Amtszeit zu stellen", sagte der 63-Jährige. "Eine Wiederwahl strebe ich aber nicht an. Nach zehn Jahren in dieser Verantwortung muss es dann auch genug sein." Zahlreiche Aktionäre werfen Achleitner seit Jahren vor, mitverantwortlich an der Misere des Instituts zu sein und Personalentscheidungen falsch getroffen zu haben.

Als ein geeigneter Nachfolger gilt Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer. Er soll wie der SPD-Politiker und Ex-Vize-Kanzler Sigmar Gabriel und die Rechtsexpertin Dagmar Valcarcel neu in den Aufsichtsrat einziehen. Investoren sehen mögliche Interessenskonflikte, sollte Weimer 2022 dann den Vorsitz des Gremiums übernehmen. Der 60-Jährige machte am Dienstag bei der Hauptversammlung der Deutschen Börse selbst deutlich, er werde nicht an die Spitze des Aufsichtsrats der Bank wechseln, solange er Chef des Börsenbetreibers sei, schloss aber einen vorzeitigen Abgang nicht aus.

Generell mussten die Führungskräfte der Deutschen Bank in diesem Jahr weniger Kritik von aufgebrachten Anlegern einstecken als sonst, weil sie keine langen Reden vortragen konnten. Das Fragebedürfnis war dennoch enorm: Eine Moderatorin las 366 vorab eingereichte Fragen vor und Sewing, Achleitner, Finanzchef James von Moltke sowie Vize-Chef Karl von Rohr beantworteten diese im Akkord. Die üblichen Proteste blieben trotz Corona aber nicht aus - wenngleich sie deutlich kleiner ausfielen als sonst. Vor den Türmen der Bank in der Frankfurter City versammelten sich fünf Kapitalismuskritiker von Attac. Das Ordnungsamt erlaubte nicht mehr. Achleitner sieht selbst Vorteile in der persönlichen Auseinandersetzung mit den Aktionären: "Mir fehlt die Dynamik einer Präsenzveranstaltung, aus der ich als Versammlungsleiter auch immer Energie ziehe."