- von Nathan Layne und Christian Rüttger

Atlanta (Reuters) - Einen Monat nach den US-Kongresswahlen haben die Demokraten von Präsident Joe Biden ihre hauchdünne Mehrheit im Senat mit einem Sieg im Bundesstaat Georgia ausgebaut.

Der Baptistenpastor Raphael Warnock setzte sich in einer Stichwahl um den letzten offenen Senatssitz knapp gegen seinen republikanischen Herausforderer Herschel Walker durch. Die Demokraten kommen damit künftig auf 51 der insgesamt 100 Sitze in der Parlamentskammer. Das verschafft ihnen bei Abstimmungen im Senat etwas mehr Spielraum. Für die Ambitionen von Ex-Präsident Donald Trump auf eine Rückkehr ins Weiße Haus ist Walkers Niederlage dagegen ein weiterer Rückschlag. Er hatte den früheren Football-Star im Wahlkampf maßgeblich unterstützt. Bei vielen Republikanern dürften nun Zweifel zunehmen, ob Trump der richtige Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2024 ist.

"Lasst uns auf diesem Berg ein bisschen feiern. Lasst uns tanzen, weil wir es verdient haben. Aber morgen gehen wir zurück ins Tal, um die Arbeit zu verrichten", rief Warnock jubelnden Anhängern in einem Festsaal in Atlanta zu, nachdem mehrere US-Medien auf Basis von Hochrechnungen seinen Sieg gemeldet hatten. Der 53-Jährige, der Pastor an einer berühmten Kirche ist, in der früher der Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. predigte, erhielt 50,8 Prozent der Stimmen. Walker, wie Warnock ebenfalls Afroamerikaner, kam nach Auszählung von etwa 99 Prozent der Stimmzettel auf 49,2 Prozent, wie aus Zahlen des Datenanbieters Edison Research hervorging. Der Politik-Quereinsteiger räumte seine Niederlage ein. Der erklärte Abtreibungsgegner war im Wahlkampf unter Druck geraten, weil er Frauen missbraucht und für Schwangerschaftsabbrüche bezahlt haben soll. Walker hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

Die Mehrheitsverhältnisse im neuen Kongress, der Anfang Januar vereidigt wird, standen allerdings schon vor der Stichwahl in dem Südstaat fest. Während die Republikaner es bei den landesweiten Zwischenwahlen schafften, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern, verteidigten die Demokraten den Senat. Wie ernst beide Parteien dennoch das Rennen in Georgia nahmen, zeigen allein die Summen, die dort flossen: Mehr als 400 Millionen Dollar wurden ausgegeben, so viel wie in keinem anderen Wahlkampf bei den Zwischenwahlen.

GESPALTENER KONGRESS

Für Bidens Partei ist der zusätzliche Sitz im Senat durchaus hilfreich. Sie erhalten in zahlreichen Ausschüssen die Mehrheit. Die Besetzung wichtiger Posten etwa an Bundesgerichten können sie leichter auf den Weg bringen. Auch lassen sich parteiinterne Abweichler einfacher überstimmen. In den vergangenen zwei Jahren war es für Bidens Partei immer wieder ein Problem gewesen, Vorhaben durchzusetzen, weil sich etwa der demokratische Senator Joe Manchin querstellte und damit prompt die knappe Mehrheit ins Wanken brachte.

Bei vielen Vorhaben bleiben die Demokraten aber weiterhin auf die Mitwirkung der Republikaner angewiesen, da bei Abstimmungen oft eine Zweidrittelmehrheit im Senat nötig ist. Außerdem kontrollieren sie im neuen Kongress nicht mehr das Repräsentantenhaus. Biden muss damit gegen einen gespaltenen Kongress anregieren, was sehr schwierig werden dürfte. Angesichts der tiefen Gräben, die sich durch die Parteien wie durch die US-Gesellschaft insgesamt ziehen, muss er sich in vielen Bereichen von der Haushalts- bis zur Klimapolitik auf gehörigen Widerstand einstellen.

MISSRATENER STIMMUNGSTEST FÜR TRUMP

Dennoch ist Warnocks Sieg mehr als ein Prestigeerfolg für die Demokraten und den unter schwachen Zustimmungswerten leidenden Präsidenten. Im Vorfeld der Kongresswahlen hatten Umfragen einen erdrutschartigen Sieg der Republikaner im Kampf um das Repräsentantenhaus erwarten lassen - und auch der Senat stand deutlich auf der Kippe. Doch am Ende reichte es nur für eine knappe Mehrheit in der Abgeordnetenkammer. Viele Republikaner geben Trump dafür die Schuld, dass die Wahlen aus ihrer Sicht nicht so erfolgreich verliefen wie erhofft. Der Ex-Präsident hatte eine Reihe von Kandidaten gefördert, von denen viele letztlich scheiterten. Trump hinderte das zwar nicht daran, seine Absicht zu verkünden, dass er bei der Präsidentschaftswahl 2024 erneut für die Republikaner als Kandidat antreten will. Ob die Partei ihn nominiert, ist nach dem für Trump abermals missratenen Stimmungstest offen.

(redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)