Berlin (Reuters) - Der Essenslieferdienst Delivery Hero hat den Anlegern mit seinen Zahlen den Appetit verdorben.

Die Aktie des Dax-Konzerns brach am Donnerstag um mehr als 31 Prozent auf 46,02 Euro ein - so stark wie nie zuvor. Zeitweise unterbrach die Börse den Handel wegen übermäßiger Kursschwankungen der Aktie. Anlegern schlug auf den Magen, dass die Verluste höher ausfielen als erwartet und das Unternehmen beim Blick nach vorn vorsichtig ist. Das sei eine "erste negative Reaktion" auf den Ausblick, sagte Finanzvorstand Emmanuel Thomassin angesichts des tiefsten Aktienstandes seit 26. November 2019. Ihm gehe es darum, "realistisch pessimistisch zu sein und kaufmännische Vorsicht walten zu lassen", sagte Thomassin der Nachrichtenagentur Reuters.

Zwar veröffentlicht das in Berlin ansässige Unternehmen den Fehlbetrag des vergangenen Jahres erst Ende April, gab allerdings mit der Marge jetzt schon mal einen Eindruck. Die erwarteten Verluste auf Ebitda-Ebene seien höher als erwartet, konstatierten die Analysten der Berenberg Bank. Die operative Rendite auf den Bruttowarenwert (Ebitda-Marge) fiel 2021 mit minus 2,2 Prozent schlechter aus als zuvor prognostiziert. Thomassin begründete dies mit notwendigen Investitionen in Südkorea und der Türkei, um Konkurrenten wie Uber und Coupang in Schach zu halten, außerdem mit den Kosten für den beschleunigten Ausbau des eigenen Lagernetzes. "Es ist ein Geschäft, wo Größe dominiert. Man muss eine gewisse Größe erreichen, um letztlich profitabel sein zu können", begründete Thomassin die Ausgaben.

Sie sollen helfen, den Umsatz im laufenden Jahr auf 9,5 bis 10,5 Milliarden Euro hochzuschrauben. Das entspräche einem Plus von mindestens 44 Prozent. Im vergangenen Jahr legten die Erlöse um 89 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro zu. Für den Wert der von Kunden bestellten Waren (Bruttowarenwert) prognostiziert das Unternehmen 44 bis 45 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Diesen Wert will das Unternehmen bis 2030 auf mindestens 200 Milliarden Euro erhöhen. Das sei enorm und erinnere daran, wie groß das Geschäft werden könnte, sagte ein Händler.

Delivery Hero wächst, weil sich Menschen in der Corona-Krise daran gewöhnt haben, ihre Mahlzeiten online zu bestellen und nach Hause liefern zu lassen. Allerdings will Delivery Hero seine Kunden nicht nur mit Restaurantessen versorgen, sondern auch mit Lebensmitteln und anderen Supermarktartikeln. Deswegen betreibt Delivery Hero weltweit mehr als 1000 Lager, muss sich hier allerdings auch gegen gut finanzierte Startups wie Getir, Flink und Gorillas zur Wehr setzen. Um einen Fuß in diesem Markt zu haben, hat sich Delivery Hero im vergangenen Jahr an Gorillas beteiligt.

Thomassin ist sicher, dass die Konsolidierungswelle in der Branche anhält: "Wir schauen uns jede Transaktion an. Es wird Deals geben, die wir machen, und andere nicht, weil sie uns zu teuer sind." Beim finnischen Wettbewerber Wolt, den sich DoorDash aus den USA für sieben Milliarden Euro schnappte, hatten die Berliner mit Blick auf den Preis abgewinkt.

DELIVERY HERO WILL KEINE VERLUSTE MEHR

Die Investitionen in das Lagernetz, Lieferfahrer sowie in neue Märkte und Übernahmen wie jüngst die des spanischen Wettbewerbers Glovo halten Delivery Hero seit Jahren in der Verlustzone fest. Das soll langsam ein Ende haben. Um die Kosten in den Griff zu bekommen, hat sich das in Berlin ansässige Unternehmen angesichts der scharfen Konkurrenz durch Lieferando-Eigner Just Eat Takeaway.com, Wolt und Uber Eats schnell wieder aus Deutschland zurückgezogen und will außerdem das Japan-Geschäft verkaufen. In Berlin werde nur ein Forschungszentrum bleiben, um Innovationen zu testen, sagte Firmenchef Niklas Östberg.

Das Unternehmen sei auf dem besten Weg, 2022 ein positives bereinigtes Betriebsergebnis (Ebitda) für das Plattformgeschäft - also die Essenslieferungen - zu erzielen, erklärte Delivery Hero. Wie das geht, hat Uber Eats im vierten Quartal bereits vorgemacht. In einem Reuters-Interview im Januar hatte Östberg eine Kehrtwende für den Gesamtkonzern angekündigt: "Wir wollen 2023 in einer Position sein, um die Gewinnschwelle auf Konzernebene knacken zu können."

2022 soll sich zunächst die am Bruttowarenwert gemessene Ebitda-Marge auf minus 1,0 bis 1,2 Prozent verbessern. Bis 2030 soll sie dann bei fünf bis acht Prozent liegen. "Was soll ein guter 2030er-Ausblick, wenn der für 2022 nicht befriedigt", fragte ein Händler.