- von Christian Krämer

Berlin (Reuters) - "Das Coronavirus hat die deutsche Wirtschaft heftig durchgeschüttelt", sagt Anton Börner vom Außen- und Großhandelsverband BGA.

2021 dürfte aber eine spürbare Erholung von der Rezession bringen. Wie stark diese ausfällt, darüber gehen die Meinungen in der deutschen Wirtschaft auseinander. Entscheidend wird sein, eine dritte Corona-Welle zu verhindern. Denn die Risiken sind mit dem Brexit schon groß genug. Und auch eine Besserung im transatlantischen Verhältnis unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden gilt noch nicht als ausgemacht. Das zweite Halbjahr 2021 dürfte dann von der Bundestagswahl geprägt sein. Die Wirtschaft hofft auf klare Verhältnisse und nicht wieder eine monatelange Hängepartie wie beim letzten Mal.

Dieses Jahr dürfte die deutsche Wirtschaft um rund fünf Prozent geschrumpft sein. Für 2021 rechnen die meisten Ökonomen mit einem Wachstum von vier bis fünf Prozent. "Die wirtschaftliche Entwicklung wird maßgeblich davon abhängen, inwiefern es gelingt, das Infektionsgeschehen einzudämmen", schränkt Bitkom-Präsident Achim Berg ein. Es gelte, eine dritte oder womöglich vierte Welle zu verhindern. "Der erfolgreiche Infektionsschutz in vielen asiatischen Staaten zeigt, dass auch unter Pandemiebedingungen eine stabile wirtschaftliche Entwicklung möglich sein kann."

Doch in Deutschland kämpfen viele Unternehmen wegen massiver Probleme seit März um die Existenz. BGA-Präsident Börner hält den langfristigen Schaden durch Corona dennoch für überschaubar. Er verweist auf die umfangreichen Staatshilfen, zudem hätten viele Firmen auf Reserven zurückgegriffen. "Die Strukturen sind bislang weitestgehend intakt und stehen bereit zum schnellen Hochfahren, wenn der Impfstoff weltweit eingesetzt werden kann und die Einschränkungen weg sind." Massenhafte Insolvenzen seien daher nicht zu erwarten.

Deutlich pessimistischer sieht dies der Einzelhandel, der in vielen Bereichen von den Lockdowns stärker getroffen wurde als die Industrie und dessen Weihnachtsgeschäft alles andere als nach Plan lief. "Es ist zu befürchten, dass bis zu 50.000 Händler ihre Geschäfte schließen müssen", warnt Stefan Genth vom Branchenverband HDE. "Eine solche Pleitewelle würde nicht nur einen immensen wirtschaftlichen Schaden hinterlassen, sondern auch ein großes Loch in die Innenstädte reißen." Entscheidend sei daher eine erfolgreiche Impfkampagne, die den Menschen die Angst vor einer Ansteckung nehme und die Corona-Einschränkungen überflüssig mache. Allerdings gilt es als fraglich, ob sich am Ende überhaupt eine Mehrheit der Deutschen impfen lassen wird.

GEWINNER DER KRISE IST SCHON JETZT CHINA

Im internationalen Handel führt derzeit kaum ein Weg an China vorbei. Das Land ist wegen strenger Anti-Corona-Maßnahmen am besten durch die Pandemie gekommen und verzeichnete 2020 sogar ein Wachstum - vermutlich von 1,8 Prozent. Für 2021 sagt die Industriestaaten-Organisation OECD ein sattes Plus von acht Prozent voraus. China werde weiter an Bedeutung gewinnen, so Börner. "Dazu trägt auch das neue Freihandelsabkommen im asiatisch-pazifischen Raum RCEP bei."

Joachim Lang vom Industrieverband BDI sieht dies ähnlich, RCEP sollte hierzulande als Weckruf verstanden werden. "Auf internationalem Parkett geht es nur mit und nicht ohne Asien. Das gilt besonders für China. Für die deutsche Industrie ist China einer der wichtigsten Märkte, gleichzeitig aber auch ein zunehmend schwieriger Partner und systemischer Wettbewerber für die EU." Abhilfe könnte hier das Investitionsschutzabkommen zwischen China und der EU schaffen, das laut Insidern nach siebenjährigen Verhandlungen vor der Unterzeichnung steht. Dabei geht es um gleichwertigen Marktzugang und Bedingungen für Unternehmen auf beiden Märkten.

Offen ist, ob die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China unter Biden aufhören werden. Sie hatten Auswirkungen auf viele deutsche Konzerne. "Die größte Gefahr sehe ich tatsächlich darin, dass auch unter dem neuen US-Präsidenten unsere beiden wichtigsten Handelspartner USA und China weiter auseinanderdriften", sagt Börner. "Das ist ein säkularer Konflikt zwischen einer aufstrebenden Riesenmacht und einer Großmacht, die sich nichts wegnehmen lassen will." Der neue Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger rechnet unter Biden aber mit mehr Kooperation: "Die Hoffnung, dass sich der Stil, der Umgang miteinander, wieder ändert, und dass es positive Impulse für den Warenverkehr zwischen Europa und den USA geben wird, ist mehr als begründet."

Den Anfang des Jahres dürfte der Brexit bestimmen. Denn Ende 2020 läuft die Übergangszeit aus, in der Großbritannien noch EU-Regeln anwenden muss. Erst Weihnachten hatten sich beide Seiten in quasi letzter Minute auf ein Handelsabkommen verständigt, das nun vorläufig in Kraft gesetzt werden soll. Viele Betriebe hatten damit nicht mehr gerechnet. Einer Umfrage zufolge waren zuletzt zwei von drei Unternehmen von einem harten Bruch ohne Handelsabkommen ausgegangen, wie Andreas Glunz von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG sagt. Die Hauptsorge: Staus an der EU-Grenze würden letztlich zu höheren Kosten für Unternehmen und höheren Preisen für Konsumenten führen. Ob dies nun abgewendet ist, wird sich zeigen. "Es wird rumpelig werden", sagt Michael Schmidt von der britischen Handelskammer BCCG. "Viele erwarten einen chaotischen Januar."

SCHWARZ-GRÜNE KOALITION IM HERBST?

Ende September 2021 wird ein neuer Bundestag gewählt. Umfragen zufolge ist eine Fortsetzung der großen Koalition denkbar, aus der die SPD aber raus will. Deswegen gehen die meisten Experten momentan von einer Koalition von Union und Grünen aus. "Die Hängepartie nach der Wahl 2017 hat unserem Land und der Wirtschaft sehr geschadet", erinnert sich Bitkom-Präsident Berg. Damals kam die geplante Jamaika-Koalition nicht zustande, und die SPD ging nach langem Zögern doch wieder eine große Koalition ein. "Deutschland kann sich eine solche Hängepartie kein zweites Mal erlauben", warnt auch Börner.

Für Schwarz-Grün wären schmerzhafte Kompromisse nötig, sagt BDI-Lobbyist Lang voraus, etwa in der Steuerpolitik. Arbeitgeber-Präsident Dulger pocht auf ein umfassendes Belastungsmoratorium für die Wirtschaft. "Durch die hohen Arbeitskosten hierzulande überlegen sich Unternehmen schon heute zweimal, ob sie in Deutschland investieren." Doch auch vor der Wahl seien bereits wichtige Weichenstellungen gefragt. "Haushalt und soziale Sicherungssysteme müssen dauerhaft tragfähig sein und nicht nur bis zum nächsten Wahltermin. Deshalb halte ich auch nichts von Ideen, die Schuldenbremse aufzuweichen oder gar abzuschaffen."

Immer wieder fordern Wirtschaftsverbände, keine neuen Auflagen zu bekommen. Einzelhandelsvertreter Genth nennt beispielsweise Pläne für eine stärkere Haftung für die Lieferketten oder ein Recht auf Homeoffice. Der Bitkom wünscht sich von der nächsten Regierung eine entschlossenere Digitalpolitik. "Kurzfristig müssen endlich die massiven Versäumnisse in der Digitalisierung von Bildung und Verwaltung angegangen werden."