HAMBURG (dpa-AFX) - Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) der Hamburgischen Bürgerschaft zum "Cum-Ex"-Skandal rund um die Warburg Bank hat am Freitag seine Arbeit mit der Befragung weiterer Zeugen fortgesetzt. Geladen waren zwei Mitarbeiter der Finanzbehörde und des Finanzamts für Großunternehmen. Eine Einflussnahme der Politik auf ihre Entscheidungen und ihre Arbeit wiesen beide zurück.

Der für die Bank zuständige Sachbearbeiter im Finanzamt für Großunternehmen war jedoch - anders als seine Vorgesetzten - der Meinung, dass die Warburg Bank hätte zur Kasse gebeten werden müssen. "Ich war der Ansicht, dass das Geld zurückgefordert werden muss", sagte er - und fügte mit Blick auf die letztlich gegenteilige Entscheidung an: "In der Bank sind die Sektkorken geknallt."

Das Finanzamt für Großunternehmen hatte 2016 mit Ablauf der Verjährungsfrist zunächst auf Steuernachforderungen gegen die Warburg Bank in Höhe von 47 Millionen Euro verzichtet. Weitere 43 Millionen Euro Kapitalertragssteuer wurden 2017 erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums eingefordert. Der Ausschuss will nun klären, ob es zu einer Einflussnahme führender SPD-Politiker gekommen ist. Hintergrund sind Treffen des damaligen Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz mit den Mitinhabern der Bank, Max Warburg und Christian Olearius, in den Jahren 2016 und 2017. Gegen Olearius liefen damals Ermittlungen wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung.

Scholz hatte die Treffen im Untersuchungsausschuss eingeräumt, aber angegeben, sich an den Inhalt der Gespräche nicht erinnern zu können. Eine Einflussnahme auf das Steuerverfahren habe es aber nicht gegeben. Letztlich wurden die Steuerforderungen erst im vergangenen Jahr vollständig beglichen. Nach eigenen Angaben überwies die Bank im April erst rund 44 Millionen und dann zum Jahresende noch einmal 111 Millionen Euro für die Jahre 2007 bis 2011.

Der PUA-Vorsitzende Mathias Petersen und der SPD-Obmann Milan Pein wiesen unterdessen eine mögliche Befangenheit im Zusammenhang mit Spenden der Warburg Bank an die SPD zurück. In einer Erklärung betonten beide zum Auftakt der Ausschusssitzung, sie hätten am Treffen des geschäftsführenden Parteivorstands am 9. Mai 2017 um 17.30 Uhr nicht teilgenommen, bei dem über eine 7500-Euro-Spende der Bank entschieden worden sei. "Am fraglichen Tag nahmen wir an einer Sitzung des Haushaltsausschusses der Bürgerschaft teil, der ausweislich des öffentlichen Protokolls von 17.03 bis 20.12 Uhr stattfand", sagte Pein in seinem und in Petersens Namen.

Die SPD hatte 2017 nach eigenen Angaben von der Warburg Bank und ihr verbundenen Unternehmen Spenden in Höhe von 45 500 Euro angenommen, obwohl gegen das Kreditinstitut zu dieser Zeit bereits wegen des "Cum-Ex"-Steuerbetrugs ermittelt wurde. 7500 Euro der Bank gingen an die SPD-Landesorganisation, 38 000 Euro flossen an den SPD-Kreis Mitte des früheren Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Spender waren die Beteiligungsgesellschaften Atalanta und Vigor sowie die Setubal Vermögensverwaltungsgesellschaft, wie die SPD mitteilte.

Inzwischen wird die Annahme der Spenden auch in der SPD kritisch gesehen. "Mit dem Wissen von heute hätten wir diese Spenden nicht annehmen dürfen", sagte Finanzsenator Andreas Dressel dem "Hamburger Abendblatt". Der Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi, der auch eine mögliche Befangenheit von SPD-Politikern in den Raum gestellt hatte, nannte diese Erkenntnis "reichlich spät". In Richtung SPD sagte er: "Die SPD Hamburg muss die schmutzige Cum-Ex-Spende sofort zurückzahlen."

Neue Brisanz erfuhr der gesamte Komplex am vergangenen Dienstag, als die Staatsanwaltschaft Köln in Hamburg bei einer Razzia Privaträume von Kahrs durchsuchen ließ. Es bestehe der Anfangsverdacht auf Begünstigung. Nach dpa-Informationen richtet sich dieser Verdacht auch gegen den langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten und früheren Innensenator Alfons Pawelczyk (88) sowie gegen die für die Warburg Bank zuständige Finanzbeamtin. Nicht als Beschuldigte, wohl aber als beteiligte Dritte, wurde auch die Finanzbehörde durchsucht.

Bei "Cum Ex"-Geschäften verschoben Finanzakteure große Aktienpakete mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch rund um den Dividenden-Stichtag in einem vertrackten System und ließen sich dann Steuern mehrfach erstatten. Lange war unklar, ob das nur dreiste Ausnutzung einer Gesetzeslücke war oder Steuerhinterziehung. Der Bundesgerichtshof sprach im Juli ein Machtwort und wertete es als Straftat. Schätzungen zufolge verlor der Staat durch "Cum Ex" einen zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag./klm/DP/he