Zürich (Reuters) - Mit ungewöhnlichen Worten hat Credit-Suisse-Konzernchef Thomas Gottstein Spekulationen über eine mögliche Übernahme der Schweizer Großbank durch die amerikanische State Street eine Absage erteilt.

Credit Suisse kommentiere Gerüchte nie, erklärte Gottstein am Donnerstag auf einer Konferenz. "Und mein Vater hat mir einmal den Rat gegeben: Bei wirklich dummen Fragen sollte man besser gar nichts sagen." Daran halte er sich.

Das Finanzportal "Inside Paradeplatz" hatte berichtet, State Street stehe kurz davor, ein Angebot von neun Franken je Credit Suisse-Aktie vorzulegen. Vom Tagestief kletterten die Credit-Suisse-Aktien daraufhin um über 14 Prozent und schlossen auf 6,964 Franken, State Street gaben fünf Prozent nach. Der US-Finanzdienstleister lehnte eine Stellungnahme ab, betonte aber, sich auf die laufende Übernahme des Investor-Services-Geschäfts von Brown Brothers Harriman (BBH)zu konzentrieren.

Auch Analysten halten es für unwahrscheinlich, dass State Street nach Credit Suisse greift. Zwar habe das vor allem in der Wertpapier-Verwahrung und dem ETF-Geschäft starke Unternehmen in den vergangenen Jahren nach Zukäufen Ausschau gehalten, erklärten die Experten von Jefferies. Doch die milliardenschwere BBH-Transaktion belaste die Bilanz bereits. Zudem brauche es viel, sich aus strategischer Sicht eine Credit-Suisse-Übernahme vorzustellen. Die Bank habe eine Fülle von Problemen. Ein Zusammenschluss im Asset Management sei allerdings denkbar.

Die Nachrichtenagentur Reuters hatte im April 2021 berichtet, dass State Street neben anderen Konzernen Interesse am Asset Management der Credit Suisse angemeldet hatte. Gottstein erklärte nun, ein Zusammenschluss des eigenen Asset Managements mit einem anderen Anbieter sei kein Thema, es handle sich um ein Kerngeschäft.

"EIN MARATHON"

Dass Credit Suisse sich immer wieder gegen Spekulationen wehren muss, ist kein Zufall. Denn das zweitgrößte Institut der Schweiz hat die Deutsche Bank nach einer Reihe von Fehlschlägen als Sorgenkind Nummer 1 der europäischen Bankbranche abgelöst. Die Aktie hat seit Anfang März 2021 die Hälfte an Wert verloren. Insidern zufolge prüft die Bank inzwischen sogar erneut Maßnahmen zur Stärkung des Kapitals. Mit Ausnahme von Gottstein wurde das Management weitgehend ausgetauscht. Doch auch Gottstein steht in der Kritik. So forderte Großaktionär Artisan Partners Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann im Mai auf, einen Nachfolger für Gottstein zu suchen.

Am Mittwoch überraschte Credit Suisse mit der vierten Gewinnwarnung binnen fünf Quartalen. Auch im laufenden Vierteljahr wird angesichts schrumpfender Erträge mit einem Verlust gerechnet. Bei den Investorenanlass kündigte Gottstein nun an, dass die Bank bei einigen Wachstumsprojekten Tempo herausnehmen werde. So wolle er die Einstellung von neuen Kundenberatern in China drosseln. Gleichzeitig sollen die Sparmaßnahmen beschleunigt werden. Spielraum sieht er etwa in der Informatik oder auch im Kundenkontakt. Das Ziel, die operativen Kosten im Zeitraum 2022 bis 2024 im Bereich von 16,5 bis 17 Milliarden Franken zu halten, gelte indes weiter. Gottstein bekräftige auch die von den meisten Analysten als unrealistisch eingestufte Vorgabe einer Eigenkapitalrendite von mindestens zehn Prozent im Jahr 2024. Er sei vorsichtig optimistisch, dass die Bank schon Anfang 2023 erste Erfolge etwa bei den Sparmassnahmen zeigen könne. "Aber es ist ein Marathon, kein Sprint", sagte Gottstein.

Analysten äußerten sich weniger zuversichtlich. Credit Suisse müsse zusätzliche Sparanstrengungen unternehmen, erklärte Andreas Venditti von der Bank Vontobel. Dies dürfte sich wiederum auf die Erträge auswirken. "Verluste im ersten und zweiten Quartal, mögliche Kosten für Rechtsstreitigkeiten und Restrukturierungen und die traditionelle saisonale Verlangsamung des Geschäfts im zweiten Halbjahr machen es unseres Erachtens sehr schwierig für Credit Suisse, im Gesamtjahr einen Nettoverlust zu vermeiden, das zweite Mal in Folge."