Frankfurt (Reuters) - Aus Furcht vor einem erneuten Einbruch der Weltwirtschaft fliehen Anleger aus Aktienmärkten.

"Schwindende Hoffnungen auf ein US-Konjunkturpaket, Brexit-Risiken und steigende Coronavirus-Infektionen vermischen sich zu einem garstigen Cocktail", sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Dax und EuroStoxx50 rutschten am Donnerstag um jeweils etwa 2,5 Prozent auf 12.703,75 und 3189,42 Punkte ab. Der US-Standardwerteindex Dow Jones büßte ein halbes Prozent ein.

Allerorten würden die Pandemie-Beschränkungen verschärft, sagte Derek Halpenny, Chef-Analyst für Europa bei Bank Mitsubishi UFJ. "Dies alles deutet auf eine größere Belastung für die Wirtschaft im vierten Quartal hin und rechtfertigt eine Anpassung der Aktienkurse." Gleichzeitig verlaufe die Bilanzsaison bislang eher enttäuschend, gab Analyst Pierre Veyret vom Brokerhaus ActivTrades zu Bedenken. Als Beispiele nannte er Roche und Bank of America.

In Zürich rutschten Roche-Titel um 3,5 Prozent ab, weil der Pharmakonzern sein Umsatzplus allein dem boomenden Geschäft mit Corona-Tests verdankt. Wegen des schwächelnden Absatzes von Krebsmedikamenten seien die Gesamt-Erlöse hinter den Erwartungen zurückgeblieben, monierte Analyst Peter Welford von der Investmentbank Jefferies. Der Bank of America hatten hohe Rückstellungen für faule Kredite die am Mittwoch vorgelegte Bilanz verhagelt. Die Titel legten nach ihrem mehr als fünfprozentigen Kursrutsch vom Mittwoch ein Prozent zu.

BONDS UND DOLLAR GEFRAGT - PFUND UNTER DRUCK

Vor diesem Hintergrund flüchteten weitere Anleger in den "sicheren Hafen" Anleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen Bundestitel auf ein Sieben-Monats-Tief von minus 0,637 Prozent. Gefragt war auch die Weltleitwährung. Dies verhalf dem Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, zu einem Kursplus von 0,4 Prozent. Im Gegenzug büßte der Euro auf 1,1701 Dollar ein.

Das Pfund Sterling gab ebenfalls nach. Die britische Währung kostete 1,2921 Dollar und 1,1040 Euro. Die Staats- und Regierungschefs der EU einigten sich bei ihrem Gipfel darauf, die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien weiterzuführen, nachdem Premierminister Boris Johnson ein von ihm gesetztes Ultimatum für einen Deal verstreichen ließ. "Das Tauziehen wird sicher noch einen Monat weitergehen", prognostizierte Markets.com-Experte Wilson. Bis zum Jahresende muss eine Einigung her, sonst droht ein ungeordneter Brexit mit wirtschaftlichen Belastungen auf beiden Seiten des Ärmelkanals.

DEUTSCHLAND-GESCHÄFT BEFLÜGELT ONLINE-HÄNDLER AO WORLD

Am europäischen Aktienmarkt ragte AO World mit einem Kursplus von gut 30 Prozent heraus. Das ist der größte Tagesgewinn der Firmengeschichte. Ersten Berechnungen zufolge stieg der Umsatz in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2020/2021 um 57 Prozent auf umgerechnet 790 Millionen Euro. Der Deutschland-Absatz habe sogar um mehr als 80 Prozent zugelegt. Ein Ende dieses starken Wachstums sei vorerst nicht in Sicht, lobte ein Analyst.

Gefragt waren auch die Titel von Morgan Stanley, die sich an der Wall Street um gut ein Prozent verteuerten. Die Investmentbank steigerte den Quartalsgewinn dank eines florierenden Handelsgeschäfts um etwa ein Viertel auf 2,6 Milliarden Dollar. Das Institut profitiere von seinem relativ kleinen Kreditgeschäft, das derzeit das größte Bilanzrisiko darstelle, sagte Analyst Chris Kotowski vom Research-Haus Oppenheimer. Daher habe sich auch Konkurrent Goldman Sachs so gut geschlagen.