BERLIN/GENF (dpa-AFX) - Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Deutschland hat den höchsten Wert seit April erreicht. Innerhalb eines Tages meldeten die Gesundheitsämter 2507 neue Infektionen, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Samstagmorgen bekanntgab. Am Freitag hatte die Zahl der neu gemeldeten Fälle noch bei 2153 gelegen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet damit, dass in der kommenden Woche weltweit die Zahl von einer Million gemeldeten Covid-19-Todesfällen erreicht wird. Ein weiterer Anstieg auf zwei Millionen Tote sei zwar unvorstellbar, "aber nicht unmöglich", sagte der WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan am Freitagabend in Genf.

In Deutschland haben sich seit Beginn der Corona-Krise nach RKI-Angaben vom Samstag mindestens 282 730 Menschen nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert (Datenstand 26.9., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion liege nach bei 9452. Das sind 9 mehr als am Vortag. Rund 249 700 Menschen haben die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden.

Der Höhepunkt bei den täglich gemeldeten Neuansteckungen hatte Ende März/Anfang April bei mehr als 6000 gelegen. Die Zahl war dann in der Tendenz gesunken und im Juli wieder gestiegen. Im August lag die Zahl der Fälle einmal bei knapp über 2000 (2034).

Der Deutsche Landkreistag fordert im Kampf gegen die Corona-Pandemie eine bundesweite Obergrenze von weniger als 50 Menschen bei Privatfeiern. "Ab 50 Teilnehmern wird es logistisch extrem schwierig, die Kontakte nachzuverfolgen, wenn ein Covid-Positiver unter der Gesellschaft war", sagte Landkreistagspräsident Reinhard Sager der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Bislang gibt es keine einheitliche Teilnehmerbegrenzung für Privatfeiern, auf dem Treffen zwischen Bund und Ländern kommende Woche müsse diese aber kommen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte am Freitag angesichts steigender Corona-Infektionszahlen von Auslandsreisen in den Herbst- und Winterferien abgeraten. Die Herbstferien beginnen in den ersten Bundesländern bereits übernächste Woche - am 5. Oktober.

Am Abend erklärte die Bundesregierung ganz Tschechien, Luxemburg und das österreichische Bundesland Tirol zu Corona-Risikogebieten und warnt nun vor touristischen Reisen dorthin. Die RKI-Risikoliste und die Reisehinweise des Auswärtigen Amts wurden entsprechend aktualisiert. Damit sind nun 15 von 27 EU-Ländern zumindest teilweise Corona-Risikogebiete, Spanien, Tschechien und Luxemburg sogar ganz. Polen ist das einzige der neun Nachbarländer Deutschlands, das noch nicht betroffen ist. Aber auch dort steigen die Infektionszahlen.

In Litauen gilt für Reisende aus Deutschland ab Montag wieder eine Quarantänepflicht. Bei Ankunft in dem baltischen Staat müssen sich Neuankömmlinge und Rückkehrer in eine zweiwöchige Quarantäne begeben. Dies geht aus einer vom Gesundheitsministerium in Vilnius am Freitagabend veröffentlichten Liste von Ländern mit hohen Corona-Ansteckungsraten hervor. Die Quarantänepflicht wird demnach auch für Estland, Polen, Island und San Marino eingeführt.

Angesichts der befürchteten Zahl von bis zu zwei Millionen Coronatoten in aller Welt forderte der WHO-Nothilfekoordinator, alles zu tun, um einen weiteren massiven Anstieg zu vermeiden. Sämtliche Maßnahmen müssten weltweit und rigoros umgesetzt werden: Hygiene, Masken tragen, Abstand halten, Testen, Kontaktverfolgung, Quarantäne und mehr. "Die Frage ist: sind wir bereit multilateral, global so zusammen zu handeln, dass wir dieses Virus kontrollieren anstatt dass es unser Schicksal kontrolliert?" sagte Ryan. "Wenn wir dies nicht tun und die Art, den Umfang und die Intensität unserer Zusammenarbeit nicht weiterentwickeln, dann, fürchte ich, müssen wir uns auf eine solche Zahl einstellen - und bedauerlicherweise womöglich noch eine größere."

Die WHO hat eine internationale Partnerschaft unter dem Namen COVAX aufgebaut, an der sich mehr als 150 Länder beteiligen - bislang aber nicht die USA und China. Dabei geht es um finanzielle Unterstützung der Forschung von im Moment neun Impfkandidaten sowie Medikamenten und einer gerechten Verteilung erfolgreicher Mittel an alle Bedürftigen, unabhängig von der Zahlungsfähigkeit ihrer Regierungen./ik/DP/nas