Peking (Reuters) - Nach den regierungskritischen Protesten erhöht die chinesische Regierung das Tempo bei den Corona-Impfungen.

So würden die Bemühungen verstärkt, die über 80-Jährigen zu immunisieren, teilte die nationale Gesundheitskommission am Dienstag mit. Gleichzeitig werde der Abstand zwischen der Grund- und der Auffrischungsimpfung auf drei Monate verkürzt. Unter anderem sollen mobile Impfteams losgeschickt werden. Offiziellen Angaben zufolge waren im November 86,4 Prozent der über 60-Jährigen mindestens zwei Mal geimpft. Die Quote der geboosterten lag bei 68,2 Prozent. Das ist ein Anstieg von jeweils weniger als einem Prozentpunkt im Vergleich zum August.

Die Proteste vom Wochenende richteten sich gegen eine übereifrige und wenig zielgerichtete Umsetzung der Pandemie-Beschränkungen, sagte Cheng Youquan, ein Beamter der Seuchenkontrollbehörde. Die Maßnahmen an sich würden nicht infrage gestellt. Die Regierung in Peking werde rasch auf die Schwierigkeiten reagieren, auf die die Demonstranten aufmerksam gemacht hätten.

ERMITTLER ERHÖHEN FAHNDUNGSDRUCK

Gleichzeitig erhöht die Regierung den Druck auf ihre Kritiker. In einem Fall sei ein Demonstrant von einem Beamten in die örtliche Polizeistation zitiert worden, um dort eine schriftliche Auflistung seiner Aktivitäten vom Sonntag abzugeben, sagten Teilnehmer der Demonstrationen vom Wochenende. In einem anderen Fall habe eine Universität einen Studenten kontaktiert und ebenfalls eine solche Liste verlangt.

"Wir löschen alle verzweifelt unsere Chat-Verläufe", sagte ein Demonstrant. Überall seien Polizisten. "Sie haben die Personalien einer Freundin aufgenommen und sie abgeführt." Einige Stunden später sei sie wieder freigekommen. Das Pekinger Büro für öffentliche Sicherheit wollte sich dazu nicht äußern. Das chinesische Außenministerium betonte, dass Rechte und Freiheiten im Rahmen der Gesetze ausgeübt werden müssten.

In Shanghai und Peking patrouillierten Polizisten Gegenden, in denen im Messengerdienst Telegram zu Demonstrationen aufgerufen worden war. Die Polizeipräsenz am Montagabend stellte sicher, dass dort keine Versammlungen stattfanden.

Auslöser der aktuellen Protestwelle war ein Hochhausbrand in Urumqi, Hauptstadt der westchinesischen Region Xinjiang, bei dem zehn Menschen ums Leben gekommen waren. In sozialen Netzwerken verbreitete sich die Ansicht, dass das Gebäude teilweise verschlossen war und es viele Bewohner deshalb nicht rechtzeitig herausschafften. Die Behörden bestritten auf einer Pressekonferenz, dass Anti-Corona-Maßnahmen die Flucht- und Rettungsbemühungen behindert hätten.

Symbol der Demonstrationen, bei denen auch "Nieder mit der Kommunistischen Partei Chinas, nieder mit Xi Jinping" skandiert wurde, ist ein weißes Blatt Papier. Damit wollen sich die Protestierenden einer Zensur oder Verhaftung wegen verbotener Parolen entziehen.

Die strenge Null-Covid-Politik, mit der die Regierung von Staatspräsident Xi Jinping die Pandemie in den Griff bekommen will, beinhaltet unter anderem Ausgangssperren. Diese ziehen auch die Konjunktur der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft in Mitleidenschaft. In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Spekulationen über eine Abkehr von diesem rigiden Kurs gegeben.

(geschrieben von Hakan Ersen, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Martin Quin Pollard und Eduardo Baptista und David Stanway