Peking/Berlin (Reuters) - China macht auf dem Weg der Erholung von der Corona-Krise nicht mehr so große Fortschritte, schlägt sich aber weit besser als viele andere Rivalen auf dem Weltmarkt.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im Sommer im Vergleich zum Frühjahr nur um 2,7 Prozent zu. Im zweiten Quartal war laut dem Statistikamt NBS noch ein sattes Plus von 11,7 Prozent herausgesprungen. Zum Vorjahresquartal gab es in den Monaten Juli bis September immerhin ein Wachstum von 4,9 Prozent. China kommt nach Ansicht von Wirtschaftsminister Peter Altmaier und des Vorsitzenden des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (APA), Joe Kaeser, damit besser aus der Krise als seine internationalen Wettbewerber.

Das liege an der Größe des chinesischen Marktes, aber auch am Handeln der chinesischen Regierung, sagte Siemens-Chef Kaeser in Berlin vor der virtuellen Asien-Pazifik-Konferenz der Wirtschaft. China sei die einzige große Volkswirtschaft auf der Welt, die "einigermaßen unbeschadet" aus der Corona-Krise herauskomme, so auch die Einschätzung von Union-Investment-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. Er erwartet, dass 2020 ein Wachstum des chinesischen BIP um etwa zwei Prozent erreicht wird. Dies deckt sich mit der Prognose der Zentralbank in Peking. Das Plus wäre damit deutlich kleiner als in den Vorjahren. Trotzdem würde die Volksrepublik damit wesentlich besser abschneiden als viele andere Länder auf der Welt, die stärker von der Coronavirus-Pandemie betroffen sind. Der Internationale Währungsfonds sagt etwa den USA für 2020 ein Minus beim BIP von 4,3 Prozent voraus, Deutschlands Wirtschaft soll sogar um 6,0 Prozent schrumpfen.

Laut VP-Bank-Ökonom Thomas Gitzel profitiert China besonders von einer Corona-bedingten Sonderkonjunktur. Die Exporte florierten angesichts einer "schier nicht zu stillenden Nachfrage" nach Medizinausrüstung. Dazu gehörten etwa Masken, Gummihandschuhe und Desinfektionsprodukte: "China versorgt derzeit die Welt mit Hygieneprodukten."

  Die Regierung in Peking hatte zudem eine Reihe von fiskalischen Maßnahmen ergriffen, um der angegriffenen Wirtschaft auf die Beine zu helfen und die Beschäftigung zu sichern. Sie bemüht sich zugleich, die Exportlastigkeit des Wirtschaftsmodells zu verringern und die Potenziale der Binnenwirtschaft zu heben - mit Erfolg, wie beispielsweise die Entwicklung am Automarkt in China zeigt: Mit einem Absatzplus von 12,8 Prozent ist er im September den sechsten Monat in Folge gewachsen.

Der September wies überdies eine zunehmende Wirtschaftsdynamik in weiteren Bereichen auf: So stiegen die Einzelhandelsumsätze zum Vorjahr um 3,3 Prozent, nachdem es im August nur um magere 0,5 Prozent nach oben gegangen war. Und die Industrieproduktion zog um 6,9 Prozent an und somit ebenfalls kräftiger als im August mit damals 5,6 Prozent. "Die September-Daten haben die Erwartungen übertroffen. Dies signalisiert eine Beschleunigung zum Ende des Quartals hin", meint Analystin Frances Cheung von der Westpac Bank.

BIP-PLUS EHER DURCHWACHSEN

LBBW-Chefökonom Uwe Burkert sieht China mit Blick auf die Kurve der Wirtschaftsentwicklung insgesamt in einer "V-förmigen Erholung": Vor allem der private Konsum sei aber noch immer eher verhalten. Yoshikiyo Shimamine, Chefökonom beim Dai-ichi Life Research Institute in Tokio ergänzt: "Die Folgen der Corona-Krise in diesem Bereich sind noch keineswegs komplett abgeschüttelt."

Die Sprecherin des Statistikamtes NBS, Liu Aihua, beurteilt den BIP-Zuwachs als eher durchwachsen. Die Erholung der Binnenwirtschaft sei zwar im Gange, doch zeigten die meisten Konjunktur-Indikatoren noch kein normales Wachstumsniveau an.

Die Corona-Pandemie war Experten zufolge Ende 2019 zunächst in der zentralchinesischen Stadt Wuhan ausgebrochen und hatte das öffentliche Leben in einigen Teilen der Volksrepublik lahmgelegt. Inzwischen hat China das Virus weitgehend unter Kontrolle und viele Einschränkungen für Inlandsreisen wurden aufgehoben. Ökonom Shimamine befürchtet allerdings, dass der chinesischen Wirtschaft von außen neuer Schaden drohen könnte. Falls es in Europa zu neuen Lockdown-Maßnahmen komme und die zweite Corona-Virus-Welle in den USA die Arbeitslosenzahlen wieder nach oben schnellen lassen sollte, werde die Konjunktur in der Volksrepublik dies auch auch zu spüren bekommen.

"Die Covid-19-Pandemie hat unsere Volkswirtschaft und auch die Volkswirtschaften in der Asien-Pazifik-Region schwer getroffen", konstatierte Bundeswirtschaftsminister Altmaier. Als Lehre aus der Krise müsse es darum gehen, dass Lieferketten und Versorgungswege widerstandsfähiger würden: "Das bedeutet aber nicht, sich zurückzuziehen - sondern im Gegenteil: Mehr Handel, mehr internationale Zusammenarbeit."