Brüssel/Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung hat die endgültige Einigung auf ein neues EU-Klimaziel als Weichenstellung auch für neue Investitionen gelobt.

"Das neue EU-Klimagesetz ist mehr als nur richtungweisend. Es macht den Klimaschutz in der EU verbindlich und unumkehrbar", erklärte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Mittwoch. Wirtschaftsminister Peter Altmanier (CDU) sprach von einem ambitionierten Gesetz: "Wir können mit Investitionen in Innovationen und neue saubere Technologien Arbeitsplätze sichern und neue schaffen." Umweltgruppen äußerten sich dagegen enttäuscht und betonten, mehr sei möglich gewesen. In einer Nachtsitzung hatten zuvor Mitgliedsstaaten, Kommission und Parlament sich im Kern auf eine Kürzung des Treibhausgas-Ausstoßes um mindestens 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 verständigt. Das Parlament hatte eigentlich 60 Prozent gefordert. Bisher galt ein 40-Prozent-Ziel.

"Dies ist ein entscheidender Moment für die EU", sagte Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans. Damit werde der Klimaschutz rechtlich verpflichtend und werde die Politik der EU die nächsten 30 Jahre leiten.

Das Ziel für 2030 ist Kernelement des europäischen Klimagesetzes, das eine komplette Treibhausgas-Neutralität bis 2050 vorsieht. Bis zum Sommer sollen nun EU-Regelungen überprüft werden, damit die Umsetzung der Ziele gewährleistet ist. Die EU kann nun mit den neuen Vorgaben in die virtuelle Klimakonferenz von US-Präsident Joe Biden am Donnerstag gehen. Es wird damit gerechnet, dass Biden dann neue Ziele für sein Land verkündet.

STREIT ÜBER ANRECHNUNG VON AUFFORSTUNG UND MOOREN

Gerungen wurde in der EU zwischen Kommission und Mitgliedsstaaten noch um die Anrechnung von Wälder und Mooren, die CO2 speichern. Unter anderem mit Aufforstungen soll die Wirkung dieser sogenannten Senken erhöht werden. Von Seiten der Grünen und Umweltgruppen kam Kritik, dass trotz der letztlich beschlossenen begrenzten Anrechnung das Ziel faktisch auf knapp 53 Prozent gesenkt werde. Die Grünen-Klimaexpertin im Bundestag, Lisa Badum, sprach von Rechentricks.

Laut der Welt-Naturstiftung WWF fällt das Ziel weit hinter einen möglichen fairen Beitrag der EU im Kampf gegen den Klimawandel zurück. "Am Ende steht leider nur ein weichgespülter Kompromiss statt ein starkes Ziel, das der aktuellen Lage gerecht würde", sagte Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert, äußerte sich ebenfalls enttäuscht: "Der Schutz von Wäldern und Mooren ist von zentraler Bedeutung. Er muss aber zusätzlich zum zügigen Umbau der Wirtschaft erfolgen. Wir können nicht Naturschutz mit Klimaschutz verrechnen."

Umweltministerin Svenja Schulze teilte die Kritik am Ziel von "mindestens 55 Prozent" nicht: "Die Betonung liegt dabei auf 'mindestens'. Denn wenn es gelingt, Moore und Wälder in Europa wieder in einen besseren Zustand zu bringen, werden wir noch mehr als 55 Prozent erreichen können", sagte sie. Für Deutschland bedeute der Beschluss, dass der Ausbau von Sonnen- und Windkraft beschleunigt und der Kohleausstieg schneller kommen müsse als bisher geplant.

Aus der deutschen Industrie kamen dagegen Warnungen vor einer Überlastung. "Mit dem neuen Ziel wird die EU die Speerspitze der Klimaanstrengungen unter den Industrienationen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup. Nun komme es auf die konkreten Maßnahmen an und auf eine faire Lastenteilung. Industrie und Energiewirtschaft hätten bereits überproportional zur Emissionsminderung beigetragen. "Auch die anderen Sektoren müssen jetzt ihren fairen Beitrag leisten." Zudem müssten die EU-Regeln für staatliche Hilfen geändert und dem Umbau der Wirtschaft gerecht werden.