Frankfurt (Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel von ihrem Zinserhöhungskurs auch nach März nicht abrücken.

Er sehe aktuell nicht, dass mit dem Zinsschritt im März die Arbeit getan sei, sagte Nagel der "Börsen-Zeitung" in einem am Dienstag veröffentlichten Interview. "Wir müssen meines Erachtens die Zinsen darüber hinaus anheben, um die notwendige Bremswirkung zu erreichen, mit der wir die Inflation zügig und nachhaltig auf zwei Prozent zurückführen", fügte er hinzu. Wenn die Notenbank zu früh nachlasse, bestehe die große Gefahr, dass sich die Inflation verfestige. "Aus meiner heutigen Sicht braucht es weitere signifikante Zinserhöhungen."

Auf ihrer ersten Zinssitzung im neuen Jahr hatte die EZB am Donnerstag ihre Schlüsselzinsen erneut um einen halben Prozentpunkt nach oben gesetzt. Es war bereits die fünfte Zinserhöhung in Serie und der Straffungskurs soll beibehalten werden. EZB-Präsidentin Christine Lagarde kündigte zudem eine weitere Anhebung um ebenfalls 0,50 Prozentpunkte auf der nächsten Zinssitzung am 16. März an. Die Inflation im Euro-Raum war zwar von 9,2 im Dezember infolge eines nachlassenden Energiepreisschubs auf 8,5 Prozent im Januar gesunken. Es war der dritte monatliche Rückgang in Folge. Die Kernrate, in der die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausgeklammert sind, verharrte jedoch auf dem Dezemberwert von 5,2 Prozent.

Es sei zwar erfreulich, dass die Inflation zuletzt zurückgegangen sei, sagte Nagel. Sie bleibe aber vorerst immer noch viel zu hoch. "Der Rückgang auf 8,5 Prozent im Januar ist von einigen fast schon gefeiert worden. Das kann ich nicht nachvollziehen," merkte er an. Nagel verwies auf die Kernrate. Diese zeige derzeit, dass sich die Inflation immer mehr durch die Wirtschaft fresse und an Breite gewinne. "Das kann uns nicht gefallen. Wir dürfen jetzt keinesfalls nachlassen, auch wenn Energie zuletzt billiger geworden ist," führte er aus. Preisstabilität sei noch lange nicht erreicht. "Zinssenkungen stehen für mich auf absehbare Zeit überhaupt nicht auf der Agenda."

Aus Sicht von Nagel ist es aber richtig, dass die EZB auf ihrem Kurs Schritt für Schritt vorangeht. Es gebe zu viele Unbekannte, von denen die größte der Krieg Russlands sei. "Es wäre jedenfalls gefährlich zu meinen, dass wir jetzt schon durch sind und das Inflationsproblem erledigt ist," so Nagel. Die Inflation sei noch nicht überwunden. Von der Idee, die Inflationsziele der Notenbank anzuheben, hält der Bundesbank-Präsident gar nichts. Das würde aus seiner Sicht die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken untergraben und dadurch der Preisstabilität schaden.

Nagel äußerte sich auch zum geplanten Bilanzabbau der Euro-Notenbank, der ab März starten soll. Die Währungshüter wollen bis zum Ende des zweiten Quartals ihre Anleihen-Bestände monatlich im Schnitt um 15 Milliarden Euro verringern. Das Tempo nach diesen vier Monaten soll noch festgelegt werden. Er plädiere dafür, sich rechtzeitig anzuschauen, wie stark das Abbautempo ab Juli erhöht werden könne, sagte er der Zeitung. "Die 15 Millarden Euro pro Monat dürften da nicht das Ende der Fahnenstange sein."

Nagel hält es zudem für möglich, dass die Inflation in Deutschland in diesem Jahr etwas geringer ausfällt als die zuletzt von der Bundesbank im Dezember prognostizierten 7,2 Prozent. "Wenn man die aktuellen Zahlen nimmt, kann es sein, dass man womöglich irgendwo zwischen sechs Prozent und sieben Prozent landet", sagte er. Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sei deutlich besser als befürchtet. 2023 könne die Wirtschaft in etwa stagnieren, anstatt in eine Rezession zu fallen. Nagel äußerte sich optimistisch: "Eine 'harte Landung' sehe ich nicht."

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)