LONDON (dpa-AFX) - Die britische Wirtschaft ist im November überraschend und spürbar geschrumpft. Dies dürfte der jüngsten Debatte über eine Lockerung der Geldpolitik Vorschub leisten. An den Finanzmärkten stieg die aus Terminkontrakten abgeleitete Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung auf der kommenden Notenbanksitzung Ende Januar deutlich. Das britische Pfund geriet unter Abwertungsdruck, die Renditen britischer Staatsanleihen gaben nach.

Nach Angaben des Statistikamts ONS vom Montag lag die Wirtschaftsleistung (BIP) im November 0,3 Prozent niedriger als im Oktober. Analysten hatten dagegen im Mittel eine Stagnation erwartet. Zwar hoben die Statistiker die Entwicklung im Oktober leicht an. Anstatt einer Stagnation ergibt sich nach neueren Daten ein leichter Zuwachs um 0,1 Prozent. Allerdings muss die Wirtschaft im Dezember rechnerisch leicht wachsen, damit für das vierte Quartal insgesamt zumindest eine Stagnation zu Buche steht.

Den Angaben des ONS zufolge schrumpfte im November nicht nur die Produktion des verarbeitenden Gewerbes, sondern auch die Aktivität im wesentlich größeren Dienstleistungssektor. Dagegen wuchs der Ausstoß am Bau und stützte die Gesamtentwicklung etwas. Vermutlich geht die trübe Entwicklung im November auch auf die hohe Unsicherheit vor der Parlamentswahl im Dezember zurück. Dann wäre im Dezember mit einer positiven Gegenbewegung des Wachstums zu rechnen.

Die Entwicklung gibt der unlängst begonnenen Debatte über eine geldpolitische Lockerung im Königreich zusätzliche Nahrung. Angefacht hatte die Diskussion in der vergangenen Woche der Vorsitzende der britischen Notenbank, der Kanadier Mark Carney. Sein Wort hat zumindest noch bis März Gewicht, dann wird er planmäßig aus dem Amt scheiden und von dem derzeitigen Vorsitzenden der Finanzaufsicht FCA, Andrew Bailey, ersetzt.

In den vergangenen Tagen haben sich mehrere Notenbanker in die Debatte eingeschaltet und sich ähnlich wie Carney einer baldigen Zinssenkung nicht abgeneigt gezeigt. Das geldpolitische Gremium der Bank of England besteht aus neun Personen. Zwei Mitglieder sprechen sich ohnehin seit längerem für eine Zinssenkung aus. Neben Carney haben zuletzt zwei weitere Notenbanker ihre Sympathie für eine geldpolitische Lockerung durchblicken lassen. Damit wäre eine Mehrheit im geldpolitischen Ausschuss gesichert.

Eigentlich hatte die Notenbank bis vor kurzem noch die Möglichkeit einer Zinsanhebung signalisiert, sollte der Brexit geordnet über die Bühne gehen. Dies ist für Ende Januar geplant. Festgelegt hatten sich die Währungshüter jedoch nicht. Im Fall eines ungeordneten Brexit, der derzeit vom Tisch ist, hatte die Zentralbank sogar alle Optionen offen gehalten und sowohl eine Zinssenkung als auch eine Zinsanhebung als möglich erachtet./bgf/jsl/jha/