Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Der Brexit und die Corona-Krise sind für britische und deutsche Unternehmen zu einer Doppelbelastung geworden, die keine baldige Erholung verspricht. Wichtig sei es daher, dass die verbleibenden Tage vor dem drohenden harten Brexit noch von der EU und Großbritannien genutzt werden, um eine Vereinbarung über die zukünftigen Beziehungen zu erreichen, forderte die British Chamber of Commerce in Germany (BCCG).

Zuletzt hat sich die Sicht der Unternehmen auf Umsatz und Investitionen noch einmal drastisch verschlechtert, ergab eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und der BCCG zu den Geschäftserwartungen deutscher und britischer Unternehmen.

"Wenn wir uns nicht einigen, gibt es nur Verlierer", warnte Michael Schmidt, Präsident der BCCG, mit Blick auf die zukünftigen Beziehungen. "Wenn wir uns einigen, wird es auch sehr viele Verlierer geben, weil wir einfach eine Situation haben werden, die für alle Beteiligten, oder nahezu alle Beteiligten, sehr, sehr nachteilig ist. Und zwar nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig."

Zuvor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont, dass in den Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über die künftigen Handelsbeziehungen noch "große Differenzen" bestünden. Das Europäische Parlament drängt zu einer Vereinbarung bis spätestens Sonntag, denn nur so könne sichergestellt werden, dass die Vereinbarung am 1. Januar in Kraft treten könne, erklärte Europaabgeordnete David McAllister (CDU) im Deutschlandfunk.


   Drastische Verschlechterung 

Die im Oktober durchgeführte Umfrage der KPMG ergab, dass mit 54 Prozent über die Hälfte der befragten Unternehmen für dieses Jahr von sinkenden Umsätzen ausgeht. 31 Prozent rechnen gar mit einem starken Rückgang.

Bei der Befragung vor einem Jahr hatten lediglich 30 Prozent der Befragten brexitbedingte Umsatzrückgänge und nur 5 Prozent einen starken Rückgang erwartet. "Die Sicht der Unternehmen auf Umsatz und Investitionen hat sich noch einmal drastisch verschlechtert", so Schmidt zu den Ergebnissen. "Trotz der Hilfsprogramme erwarten die Unternehmen eine über die negativen Effekte in 2020 hinausgehende Krise. 2021 ist vom Prinzip Hoffnung geprägt, aber wirklichen Optimismus erkenne ich da im Moment nicht."

Die Umfrage zeigte außerdem, dass ein Viertel der Unternehmen noch immer nicht auf den Brexit vorbereitet ist und die überwiegende Mehrheit mögliche Geschäftschancen nach dem Brexit kritisch sieht. Auch sei die Investitionsbereitschaft gesunken. Als Folge der Pandemie fahren fast 60 Prozent der befragten Unternehmen ihre Investitionen zurück, so die Umfrage.

Schmidt erwartet, dass viele Unternehmen die durch den Brexit verursachten Zusatzkosten gerade wegen der Einbrüche durch die Corona-Krise schlicht und ergreifend nicht finanzieren könnten. Die von der Politik aufgelegten Hilfsprogramme seien nicht ausreichend. Nötig seien neben der Soforthilfe auch den Abbau bürokratischer Hemmnisse, die Entwicklung von vereinfachten, praktikablen Lösungen und vor allen Dingen auch Investitionen in die Infrastruktur.


   KPMG fordert Unnachgiebigkeit bei Wettbewerbsbedingungen 

Andreas Glunz von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG warnte die EU in den aktuellen Verhandlungen mit Großbritannien davor, mit London beim Themen faire Wettbewerbsbedingungen einen "faulen Kompromiss" einzugehen, nur um noch ein Abkommen über die zukünftigen Beziehungen zu erreichen. Die EU müsse auf fairen Wettbewerb, das sogenannte "level playing field", pochen.

"Europa kann es natürlich nicht tolerieren, dass eine Steueroase vor den Toren Europas entsteht. Das ist völlig undenkbar, weil das zu massiven Verwerfungen führen wird und auch zu einem Zerreißen der Europäischen Union führen wird", so Glunz. Es sei wichtig, dass an diese Stelle "unnachgiebig und hart" verhandelt werde. "Im Endeffekt wird langfristig der Schaden größer sein dadurch, wenn wir kein level playing field haben werden", so Glunz.

Das Vereinigte Königreich ist Ende Januar aus der EU ausgetreten. Die Übergangsphase, während der die Insel seit ihrem EU-Austritt in der Zollunion und im Binnenmarkt bleibt, endet am 31. Dezember. Ohne Einigung auf einen Handelsvertrag und die zukünftigen Beziehungen drohen ab Januar Zölle.

Mitarbeit: Andreas Kißler

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/apo

(END) Dow Jones Newswires

December 18, 2020 06:12 ET (11:12 GMT)