Das Horrorszenario fällt aus, Kommentar zur Bankenaufsicht von Bernd
Neubacher
Frankfurt (ots) - Armageddon wird im Bankensektor wohl doch erst einmal
ausfallen. Dieser Schluss drängt sich auf angesichts der Einschätzung der
EU-Kommission, dass der Abschluss des Kapitalregelwerks Basel III die
Mindestkapitalanforderungen der Banken auf dem Kontinent bis 2025 um gerade
einmal 0,7 Prozent bis 2,7 Prozent erhöhen und nach Ablauf der Übergangsperiode
2030 um 6,4 Prozent bis 8,4 Prozent klettern lassen wird. Sollte es so kommen,
entspräche dies nicht nur der vor Jahren formulierten Vorgabe an den Baseler
Ausschuss für Bankenaufsicht, einen Anstieg um mehr als ein Zehntel zu
vermeiden. Es wäre auch weit entfernt von Horrorszenarien, die in den
vergangenen Jahren im Markt kursierten. So hatte vor zwei Jahren auch die
European Banking Authority (EBA) für große, internationale Banken ein Plus von
21 Prozent prognostiziert. Die neuen Zahlen sagen wohl einiges über Prognosen
aus, mehr noch aber über die Möglichkeiten der Gestaltung im Kleingedruckten
eines Regelwerks, das in all seinen Verästelungen längst kaum mehr jemand
durchschaut.

Klar ist: In der den Markt fesselnden Frage, wie der sogenannte Output-Floor zur
Be­schränkung bankinterner Mo­delle umgesetzt wird, fährt Brüssel eine
harte
Linie - Europas Bankenlobby hat mit ihrem Vorstoß, verschiedene Kapitalpuffer
schlicht miteinander zu verrechnen, trotz reger Bemühungen kein Gehör gefunden.
Umso bereitwilliger hat die Kommission augenscheinlich an­dernorts die Register
gezogen, um den Kapitalauftrieb im Zaum zu halten. In einer EBA-Modellrechnung
reduzierten ihn schon europäische Spezifika, etwa Ausnahmen bei Anpassungen der
Kreditbewertung und Erleichterungen bei der Berechnung operativer Risiken sowie
für die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen, gegenüber 2019 um acht
Prozentpunkte.

Auch wenn Armageddon ausfällt: Gerade für Deutschlands Großbanken bleibt die
Lage angespannt. Für sie als besonders rege Nutzer interner Modelle dürfte der
Anstieg der Kapitalanforderungen ungefähr doppelt so hoch ausfallen wie für den
Rest der Branche. Schwerer noch wiegt, für die gesamte Branche, dass die Baseler
Regeln drastisch höhere Kapitalanforderungen für Mittelständler ohne
Kredit-Rating vorsehen, die in Europa nun einmal die Regel und nicht wie im
angelsächsischen Raum eher die Ausnahme sind. Wo aber eine auf Europa
zugeschnittene Lösung gefordert wäre, fällt der Kommission nichts Besseres ein
als eine bis 2029 laufende Übergangsfrist. Offenbar will sie die
Kapitalmarktunion, in der sich auch der breite Mittelstand via Kapitalmarkt
finanziert, mit der Brechstange erzwingen.

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