Im Vorfeld des Zinsentscheids der US-Notenbank Fed ist die Risikoaversion diese Woche sprunghaft gestiegen, befeuert von Ängsten vor einer Hyperinflation und Rezession. Die Teuerungsrate ging nicht wie von den Märkten erhofft zurück, sodass nächste Woche erneut ein aggressiver Zinsschritt der Federal Reserve zu befürchten ist. Die Anleiherenditen setzten ihren Aufwärtstrend fort, was einen weiteren Rückgang der Indizes zur Folge hatte. Die Volatilität wird daher voraussichtlich nicht nachlassen.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
408.24  -2.89%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
3873.33  -4.77%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
27567.65  -2.29%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1674.02$  -2.59%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
91.53  -0.95%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.00$  -0.56%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Tops

Big Technologies (+20 %): Der britische Spezialist für Fernüberwachung hat mit seinen verbesserten Ergebnissen im 1. Halbjahr die Erwartungen übertroffen. Der Titel zeigte sich diese Woche im Vergleich zu den meisten europäischen Papieren widerstandsfähig.

Nio (+8 %): Auch der chinesische Hersteller von Elektrofahrzeugen entging dem Abschwung in seinem Umfeld dank der Unterstützung von Citic Securities. Gelobt wurde die gute Geschäftsentwicklung des Unternehmens im August und seine Positionierung im Spitzensegment. Somit konnte der Titel dem Gegenwind am Markt recht gut standhalten.

Renault (+9 %): Der zyklische Konsumsektor blickt auf eine schwierige Woche zurück. Doch nicht der gesamte Sektor. Die Automobilbranche konnte sich behaupten, denn mehrere niedrig bewertete Titel boten günstige Kaufgelegenheiten. Zu ihnen zählte auch die Marke mit der Raute.

Vantage Towers (+8 %): Gerüchten zufolge haben Private Equity-Akteure Interesse an dem Erwerb des Vodafone-Anteils von 82 % auf Basis einer Gesamtbewertung des Funkmastbetreibers von 15 Mrd. EUR gezeigt.

Inditex (+4 %): Der Konzern "stellt wieder einmal unter Beweis, dass er eine Klasse für sich ist", schreibt Jefferies nach der Veröffentlichung der Quartalsergebnisse. Dem Analysten zufolge ist die auf den Euro konzentrierte Beschaffungsstruktur ein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber einer in Schwierigkeiten geratenen Peer-Gruppe.

Flops

Kion (-35 %): Nach der Gewinnwarnung setzt sich der Absturz des deutschen Unternehmens fort. AlphaValue merkt an, dass Kion anscheinend nicht über angemessene Indexklauseln in seinen Verträgen verfügt. Nach Ansicht des Spezialisten wäre es gut möglich, dass die plötzliche Veränderung des Inflationsumfelds andere Unternehmen mit langem Produktionszyklus unvorbereitet getroffen hat.

MIPS (-32 %): Was für eine Abstrafung für den schwedischen Konzern, der auf Technologien für Fahrrad- und Motorradschutzhelme spezialisiert ist. Nach zwei Jahren voller Engpässe verliert der Fahrradmarkt an Fahrt. "Die Marktsituation ist im Fahrradsektor noch immer schwierig. Die Einzelhändler haben ihre Käufe in den meisten Märkten erheblich reduziert", meldet das Unternehmen.

Orpea (-32 %): Der umstrittene Seniorenheimbetreiber hat bekannt gegeben, dass seine Margen im 2. Halbjahr unter den steigenden Energiekosten leiden werden. Zwar wird der Refinanzierungsplan laut der Geschäftsleitung wie vorgesehen umgesetzt, doch reicht dies nicht, um die Märkte zu beruhigen. Oddo BHF hat sein Kursziel von 26,70 auf 16 EUR gesenkt.

Adobe (-25 %): Der Markt tut sich schwer, die für die Übernahme von Figma aufgewendeten 20 Mrd. USD zu verdauen. Die Transaktion gilt als teuer bezahlt und riskant.

Nucor (-18 %): Das amerikanische Stahlunternehmen wird für die Prognose abgestraft, dass seine Ergebnisse in einem für den Gesamtsektor negativen Umfeld zurückgehen werden.

Straumann (-17 %): Der Titel verbrachte die Woche im roten Bereich. UBS hat seine Empfehlung von "Neutral" auf "Verkaufen" gesenkt und ein Kursziel von 96,75 CHF veranschlagt. Der Analyst erachtet den Titel zwar als qualitativ hochwertig, das Chancen-Risiko-Verhältnis sei jedoch durch die sich am Horizont abzeichnenden Wolken gefährdet.

Nemetschek (-16 %): Der deutsche Anbieter von Software für die Bauindustrie wurde von der Talfahrt des Technologiesektors erschüttert. Das Papier hat in einem Monat nahezu 30 % an Wert verloren.

Ocado (-14 %): Der britische Online-Supermarkt hat seine Prognose für 2022 nach unten korrigiert, da die Verbraucher sich aufgrund des drastischen Anstiegs der Lebenshaltungskosten günstigeren Produkten zuwenden und weniger Artikel kaufen.

Meta Platforms (-11 %): Meta Platforms scheint zu einer Aktie mit Hebelwirkung auf den Nasdaq geworden zu sein. Gerät der amerikanische Index in schwieriges Fahrwasser, wird der Konzern von Mark Zuckerberg regelmäßig stärker in Mitleidenschaft gezogen als der Marktdurchschnitt.
Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die anhaltende wirtschaftliche Abkühlung und ihre Auswirkungen auf die Ölnachfrage - vor allem in China - belasten nach wie vor die Anlegerstimmung. Die Internationale Energieagentur schätzt in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht, dass die Ölnachfrage im Reich der Mitte dieses Jahr um 420.000 Barrel pro Tag sinken wird. Dementsprechend werden die Ölpreise ihre Talfahrt wahrscheinlich die dritte Woche in Folge fortsetzen. Aktuell kostet die europäische Referenzsorte Brent 92 USD und die US-Sorte WTI 86 USD je Barrel, sodass die Jahrestiefstände nicht mehr weit entfernt sind. In Europa tüfteln die Energieminister der Europäischen Union weiter an einem Plan, um eine erneute Explosion des Gaspreises zu verhindern. Eine Preisobergrenze für russisches Gas wurde letztendlich verworfen. Stattdessen soll es eine Steuer auf Übergewinne von Ölgesellschaften und einen Energiesparplan für den kommenden Winter geben.

Metalle: Die erneute Risikoaversion belastete den Kupferpreis, ein wichtiges Barometer der Weltwirtschaft. Dieser sackte im Laufe der Woche auf 7.730 USD ab. Aluminium hielt sich besser und profitierte von einer Hiobsbotschaft auf der Angebotsseite: Aufgrund der Stromrationierung in einigen chinesischen Provinzen werden chinesische Aluminiumhütten ihre Produktion möglicherweise noch weiter drosseln. Aktuell liegt der Aluminiumpreis an der LME leicht über 2.300 USD. Im Segment der Edelmetalle ist der Goldpreis unter die Marke von 1.700 USD je Feinunze gerutscht. Das Inflationsumfeld ist für Gold definitiv nicht günstig. Dem Edelmetall machte die geldpolitische Straffung seitens der Federal Reserve und der damit einhergehende Anstieg der Anleiherenditen zu schaffen.

Agrarprodukte: Die Getreidepreise an der Börse in Chicago haben sich weitgehend stabilisiert. Weizen und Mais werden mit 840 bzw. 670 Cent je Scheffel gehandelt. Die Ukraine erklärte, dass die Anbauflächen für Wintergetreide kriegsbedingt aber auch wegen der höheren Düngemittelpreise gegenüber dem Vorjahr um etwa ein Drittel schrumpfen dürften.

Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Die Inflationszahlen für August trafen den Markt wie ein Keulenschlag, weil sie zeigten, dass die US-Inflation entgegen den Erwartungen nicht auf dem Rückzug ist. Die Kluft zwischen Anlegerstimmung und makroökonomischer Realität löste am Dienstag erdrutschartige Verluste aus. So ging es für den S&P 500 und den Nasdaq um über 4 % bzw. 5 % bergab. Die komplexe und tückische Inflationsdynamik zu stoppen, wird zweifellos länger dauern als gemeinhin angenommen. In einer schnelllebigen Welt, in der alles spektakulär sein muss, scheint die Finanzwelt vergessen zu haben, dass es manchmal notwendig ist, den Fuß vom Gas zu nehmen.

Devisen: Der Euro profitierte von der Aufregung um den Tod von Queen Elizabeth. Er machte gegenüber dem britischen Pfund etwas Boden gut und notierte zum Wochenschluss bei 0,8746 GBP. Außerdem näherte sich die Gemeinschaftswährung wieder der Parität zum US-Dollar. Die Zentralbanken wetteifern auf ihrem Straffungskurs, was diese Woche zu einer Art Status quo führte. Wenn die Aktienmärkte in Unruhe sind, ziehen sich die Marktteilnehmer meistens in vergleichsweise sichere Häfen zurück. Das kommt dem US-Dollar derzeit grundlegend zugute.

Anleihen: Die Veröffentlichung unerwartet hoher US-Inflationszahlen im August hat die Rendite zehnjähriger US-Treasuries auf 3,47 % befördert. Die Rendite zweijähriger US-Staatsanleihen kletterte auf 3,9 %. In Europa trug die EZB mit ihrer ebenfalls restriktiven Geldpolitik zum Renditeanstieg bei. Die Rendite zehnjähriger Anleihen bewegt sich zwischen 4,25 % in Griechenland und 1,03 % in der Schweiz. Deutsche Bundesanleihen rentierten bei 1,77 % und französische Staatsanleihen bei 2,32 %.

Kryptowährungen: Der sprunghafte Anstieg der Kryptowährungen in der vergangenen Woche wurde am Dienstag durch die erneute Talfahrt von Risikoanlagen zunichtegemacht. Der Bitcoin ist wieder unter die Marke von 20.000 USD gesunken. Für Ether waren die letzten Tage schwierig. Das umfangreiche Upgrade der Ethereum-Blockchain verlief reibungslos, Anleger reagierten auf die Meldung allerdings eher mit Verkäufen.

Termine: Die Zentralbanken rücken wieder ins Rampenlicht, hatten die Bühne aber eigentlich noch gar nicht verlassen. Nächste Woche steht ein Mammutprogramm an: Am Mittwoch wird die US-Notenbank Fed ihre geldpolitische Entscheidung bekannt geben. Am Donnerstag folgen dann die japanische Notenbank, die Schweizerische Nationalbank und die Bank of England. Des Weiteren werden am Freitag die aktuellen Einkaufsmanagerindizes der führenden Volkswirtschaften veröffentlicht. Der Montag ist in Japan (Tag des Respekts vor der älteren Generation) und in Großbritannien (Beerdigung von Elisabeth II.) ein Feiertag.

Kurs und Volumen
Zu früh gefreut
Innerhalb von vier Tagen gaben die Aktienmärkte ihre Gewinne der Vorwoche ganz oder teilweise wieder ab. Anleger wurden für ihre übermäßige Zuversicht in Bezug auf die Entwicklung der Verbraucherpreise in den USA bestraft. Der Rückgang des Nasdaq um über 5 % am Dienstag im Anschluss an die US-Inflationszahlen symbolisiert das Wiederaufflammen der Risikoaversion. China kommt noch nicht wieder richtig in Fahrt, während Europa noch immer tief in der Energiekrise steckt. Das Jahr 2022 hat die Anleger brutal aus dem sanften Schlummer der letzten zehn Jahre gerissen. Bis die Fed nächste Woche ihre geldpolitische Entscheidung verkündet, ist mit Nervosität an den Märkten zu rechnen, möglicherweise auch darüber hinaus... Zunächst wünschen wir Ihnen allen aber ein schönes Wochenende.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.