Die Finanzmärkte brachen vergangene Woche dramatisch ein - aus vielerlei Gründen: So kündigte die EZB eine baldige Straffung ihrer Geldpolitik an, die Weltbank und die OECD reduzierten ihre Wachstumsprognosen, und die US-Inflation erklomm am Freitag ein neues Rekordhoch. Folglich schwand die Risikobereitschaft rapide, was in den meisten Sektoren deutliche Verluste nach sich zog. Nur Energiewerte konnten sich einigermaßen behaupten, während die Ölpreise auf ihren jüngsten Höchstständen verharrten. Die Indizes dürften sich auch diese Woche volatil verhalten, zumal am Mittwoch die nächste geldpolitische Sitzung der US-Notenbank Fed ansteht.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
413.38  -6.07%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
3900.86  -5.05%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
26987.44  -2.79%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1856.87$  +0.29%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
120.50  -0.56%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.05$  -2.38%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Gewinner

Biffa (+28 %): Der britische Spezialist für Abfallmanagement hat von Energy Capital Partners ein Übernahmeangebot in Höhe von 445 GBP je Aktie erhalten. Die unaufgeforderte Offerte bewertet das Unternehmen mit 1,36 Mrd. GBP. Das entspricht einem Aufschlag von 36 % auf den Vortageskurs. Die Unternehmensleitung erklärte sich bereit, das indikative Angebot zu unterstützen, wenn der Investor es bestätigt.

SGL Carbon (+21 %): Das deutsche Unternehmen gab letzte Woche bekannt, dass die Prognosen für das Geschäftsjahr 2022 übertroffen werden. Das bereinigte EBITDA für das Jahr dürfte sich auf 130 bis 150 Mio. EUR belaufen. Davor war es mit 110 bis 130 Mio. EUR veranschlagt worden. Auch die Kapitalrendite (ROCE) wird höher als die Zielvorgabe ausfallen.

Melrose (+18 %): Das Unternehmen gab auf seinem Investorentag letzte Woche ein 500 Mio. EUR schweres Aktienrückkaufprogramm bekannt. Citigroup bewertete die Präsentation positiv.

Gitlab (+8 %): Die Aktien setzten am vergangenen Dienstag zum Höhenflug an, nachdem das Unternehmen am Vortag einen unerwartet niedrigen bereinigten Verlust für das 1. Quartal seines neuen Geschäftsjahres bekannt gegeben hatte. Die Prognosen für das Geschäftsjahr 2023 wurden nach oben korrigiert.

Kohl's (+12 %): Der Verwaltungsrat nahm exklusive Verhandlungen mit Franchise Group auf, die für die Übernahme von Kohl?s 60 USD je Aktie anbietet.

Prosus (+8 %): Der an der Amsterdamer Börse notierte Investor profitiert von der wieder regeren Nachfrage nach chinesischen Technologieaktien. Auslöser waren zaghafte positive Signale aus Peking, das seine strenge Regulierung im Digitalsektor offensichtlich etwas lockern will. Titel wie Didi, Pinduoduo oder Alibaba profitierten deutlich - und indirekt auch Prosus.

Verlierer

Zalando (-11 %): Für den Onlinehandel sind es schwierige Zeiten. Die gesamte Branche litt unter den gesenkten Prognosen von Boozt und DFS Furnitures. Das Handelsblatt berichtete außerdem über die Ambitionen der türkischen Mode-App Trendyol, die in Deutschland ihre Marktmacht ausbauen könnte.

Atos (-15 %): Die Erholung der Aktie wurde durch Gerüchte über Unstimmigkeiten zwischen dem neuen CEO Rodolphe Belmer und dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats Bertrand Meunier abrupt gestoppt. Der Verwaltungsrat ist geschlossen für den vollständigen Erhalt des Konzerns, während der erst vor Kurzem ernannte Firmenchef der Ansicht ist, dass einige Geschäftsbereiche abgespalten werden sollten.

Korian (-16 %): Laut der Tageszeitung Le Parisien haben Familien von Bewohnern gegen das Unternehmen Klage wegen Gefährdung von Menschenleben und fahrlässiger Tötung erhoben. Seit den Enthüllungen über den Rivalen Orpea steht der Sektor im Zentrum der Kritik.

Hapag-Lloyd (-17 %): Die Angst vor einer Rezession überschattet den Welthandel, und die Seefrachtraten sind kräftig gesunken. Das belastete die Aktien des deutschen Transportspezialisten und seines Wettbewerbers, AP Moller Maersk, in der vergangenen Woche schwer.

ITM Power (-18 %): Die aktuellen Zahlen des britischen Wasserstoffspezialisten waren äußerst enttäuschend. Dafür wurde der Titel radikal abgestraft.

Zendesk (-23 %): Das Unternehmen teilte mit, dass sich nach der von ihm durchgeführten strategischen Überprüfung kein Übernahmeangebot ergeben habe. Von 26 Absichtserklärungen führten 10 zu weiteren Gesprächen, bei denen allerdings kein überzeugendes Angebot herauskam.

Wizz Air (-23 %): Die Fluggesellschaft rutschte in dem am 31. März beendeten Geschäftsjahr noch tiefer in die roten Zahlen. Grund war der Anstieg der Betriebsausgaben, insbesondere für Gehälter und Treibstoff. Das Betriebsklima ist stark angespannt, nachdem der Firmenchef seine Mitarbeiter dazu angehalten hatte, auch übermüdet zu fliegen, um die Annullierung von Flügen zu vermeiden.
Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Für die Rohstoffmärkte war es eine recht gute Woche: Der CRB Commodities Index kletterte in nur fünf Tagen um 2 % auf 351 Punkte. Der Energiesektor setzt seinen Aufwärtstrend ungeachtet des stärkeren US-Dollar fort.

Rohöl: Der Ölpreis für die Sorte Brent notiert über der Marke von 120 USD pro Barrel (122 USD) und auch WTI kostet nun 120 USD pro Fass. Die Preise klettern weiter nach oben, obgleich die Rohölvorräte in den USA erneut gestiegen sind. Der Boykott russischen Öls beherrschte auch vergangene Woche die Schlagzeilen. Daneben interessierten sich die Marktteilnehmer auch für den Monatsbericht der US-Energiebehörde EIA, in dem die US-Produktion für 2022 und 2023 nach oben korrigiert wurde. Sie soll bis 2022 auf 11,92 Mio. Barrel pro Tag (mbd) und im Folgejahr auf 12,85 mbd steigen.

Metalle: Am Markt für Edelmetalle herrscht immer noch Katerstimmung, nachdem der Anstieg der Anleiherenditen das Segment kalt erwischt hat. Die an den letzten Handelstagen wieder spürbare Risikoaversion nützt den Goldkäufern also nichts. Gold notiert aktuell bei etwa 1.843 USD. Industriemetalle machten dagegen etwas Boden gut und erhielten einen positiven Impuls von der Lockerung der coronabedingten Beschränkungen in China. Blei notiert bei 2.200 USD und Kupfer unverändert bei 9.600 USD. Aluminium verteuerte sich leicht auf 2.750 USD.

Agrarprodukte: Der Maispreis erholte sich in Chicago deutlich, und auch der Weizenpreis stieg, allerdings weniger stark. Der Markt scheint die Aussicht auf eine Rückkehr des ukrainischen Angebots auf die internationalen Märkte skeptisch zu sehen. Ankara tritt mit Blick auf die ukrainischen Exporte als Vermittler auf und möchte vom Hafen Odessa aus einen Getreidekorridor eröffnen. Der Preis von Bauholz, das ebenfalls zu den ?Soft Commodities? zählt, fiel weiter auf 562 USD je 1.000 Board Feet (ca. 2,36 Kubikmeter).
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Auf allen Ebenen herrscht Unschlüssigkeit. Die Anleger sind noch immer hin- und hergerissen zwischen den eher soliden Konjunkturdaten und einer unsicheren Zukunft, die wesentlich davon abhängen dürfte, wie weit die Währungshüter an der Zinsschraube drehen. Die sinkende Liquidität wirkt sich zunehmend auf die Realwirtschaft aus. Die am Freitag veröffentlichten unerwartet hohen US-Inflationszahlen für den Monat Mai gaben den Stagflationsängsten neue Nahrung, hatte doch die Finanzwelt zum Teil darauf gehofft, dass sich der im April begonnene Rückgang fortsetzt. Derweil ebnete die EZB den Weg für eine Leitzinsanhebung, die sie noch vor wenigen Monaten praktisch ausgeschlossen hatte.

Anleihen: Die EZB vertritt nun eine härtere Haltung, denn sie kann nicht tatenlos zusehen, wie die Inflation den Kontinent heimsucht. Infolgedessen stiegen die Renditen für Staatsanleihen, wobei die risikoreichsten Titel erwartungsgemäß schneller anzogen. So rentieren 10-jährige Papiere in Griechenland mit 4,23 % und in Italien mit 3,62 %. Schweizer Bundesobligationen reagierten weniger, nähern sich aber inzwischen der Marke von 1 % und werfen damit halb so viel ab wie ihre französischen Pendants (2 %). Als Benchmark für den Euroraum schlossen deutsche Bundesanleihen mit 1,41 %. In den USA stieg die Rendite der 5-jährigen Treasuries (3,13 %) über die der 10-jährigen (3,05 %) und der 30-jährigen Staatspapiere (3,12 %), kurz nachdem am Freitag die Inflationszahlen bekannt gegeben worden waren.

Devisen: Trotz einer leichten Erholung zum Wochenschluss setzte der japanische Yen seine Rekordtalfahrt gegenüber dem US-Dollar fort - eine eindeutige Konsequenz der strategischen Diskrepanz zwischen der US-Notenbank Fed, die entschlossen an der Zinsschraube dreht, und der Bank of Japan mit der Devise ?Abwarten und Teetrinken?. Allerdings zeigten sich die japanische Regierung und Notenbank am Freitag angesichts des starken Rückgangs besorgt, was eher selten vorkommt. Zum Redaktionsschluss kostete 1 US-Dollar 133,35 Yen. Vor acht Monaten hatte der Kurs noch bei 110 JPY für 1 USD gelegen. Das EUR/USD-Währungspaar verharrte auf seinem jüngsten Niveau. Für 1 Euro erhält man somit weiterhin zwischen 1,06 und 1,07 US-Dollar.

Kryptowährungen: Für den Bitcoin zeigt sich seit einem Monat fast immer dasselbe Bild: Der Kurs dümpelt zwischen 28.000 und 32.000 US-Dollar dahin und lässt die Spannung unter den Krypto-Tradern/Investoren geradezu unerträglich werden - in welche Richtung wird die Digitalwährung wohl in den nächsten Wochen tendieren? Obwohl der Bitcoin den über neun Wochen anhaltenden Abwärtstrend beendete, könnte er unter seinen Fans in einem für Risikoanlagen nach wie vor ungünstigen makroökonomischen Umfeld mittelfristig weiter für Nervenkitzel sorgen.

Termine: In dieser Woche ist der Kalender insbesondere in den USA prall gefüllt: Auf die Veröffentlichung der Erzeugerpreise am Dienstag folgen tags darauf die Einzelhandelsumsätze. Zudem wird für den Mittwochabend die Entscheidung der US-Notenbank Fed über die geplanten Zinsschritte und die weitere Ausrichtung der Geldpolitik erwartet. Die Bank of England beschließt am Donnerstagmittag den Reigen. Beide Notenbanken sehen sich mit der Problematik einer extrem hohen Inflation konfrontiert, die die Geldpolitik zu einem komplexen Thema macht.
Kurs und Volumen
Citius, altius, fortius
Schneller, höher, stärker: Das bekannte olympische Motto könnte aktuell auch für die Inflationsentwicklung gelten. In den USA erreichte die Teuerung im vergangenen Monat gegenüber dem Vorjahr mit 8,6 % einen neuen Rekord. Die höchste Inflation seit 40 Jahren. Zum Wochenschluss scheint der Markt nach mehreren Wochen der Erholung und sinkender Volatilität eine neue Abwärtsbewegung einleiten zu wollen. Wir wünschen allen Anlegern eine gute Woche.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.