FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Am Markt scheint auch dem Letzten zu dämmern, dass die Notenbanker mit den Zinserhöhungen noch lange nicht am Ende sind. Die Renditen steigen weiter. Der Vorteil: Bonitätsstarke Unternehmensanleihen sind wieder eine echte Alternative.

3. März 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Immer noch hohe Inflationsraten haben diese Woche für kräftig steigende Zinsen gesorgt. "Die Inflation zeigt sich als persistent, persistenter als vom Markt angenommen", erklärt Tim Oechsner von der Steubing AG. "Die Erwartungen der Marktteilnehmer in Bezug auf fallende Inflationsraten und damit einhergehende Zinssenkungen Ende 2023/Anfang 2024 sind durch die eingehenden Daten der letzten Wochen fast vollständig verflogen."

Diese Woche überraschte erst die Inflationsrate in Deutschland: Sie lag im Februar - wie im Januar - bei 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Erwartet worden war ein Rückgang auf 8,5 Prozent. In der Eurozone reduzierte sich die Inflation im Februar zwar leicht von 8,6 auf 8,5 Prozent, gerechnet worden war aber nur mit 8,3 Prozent. Die Kerninflation ohne Energie und Nahrungsmittel kletterte sogar auf ein Rekordhoch.

"Zinsen werden weiter steigen"

"Das Inflationsziel von 2 Prozent liegt in weiter Ferne", kommentierte DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. "Die Zinsen werden auf längere Sicht nicht fallen, sondern weiter steigen, um die Inflation wieder zurück in den gewünschten Zielkorridor zu drücken."

Zehnjährige Bundesanleihen rentieren am Freitagmorgen mit 2,73 Prozent, deutlich über den 2,56 Prozent vor einer Woche und auf dem höchsten Stand seit 2011. Die Rendite für zweijährige Bundesanleihen ist im Laufe der Woche von 2,89 auf 3,19 Prozent gestiegen. In den USA rentieren zehnjährige Treasuries wieder mit über 4 Prozent.

Italien und Co: Keine hohen Risikoaufschläge

"Die EZB kommt zunehmend in ein Dilemma, denn sie muss die Südstaaten und deren Risikoaufschläge im Blick behalten", stellt Oechsner fest. Bislang sind die Risikoaufschläge für Italien, Spanien und Portugal aber noch kein Problem. "Offensichtlich sorgt das in diesem Monat beginnende Abschmelzen der EZB-Anleihebestände für wenig Kopfzerbrechen, zumal es immer wieder Spekulationen über eine neue gemeinsame EU-Schuldenaufnahme gibt", erklärt Ralf Umlauf von der Helaba.

Aus dem Handel mit Staatsanleihen berichtet Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank von Käufen der in diesem Oktober fälligen Österreich-Anleihe mit Kupon von 1,75 Prozent (AT0000A105W3) und Papieren von Irland mit 3,4 Prozent und Fälligkeit im März 2024 (IE00B6X95T99). Beide werfen aktuell eine Rendite von rund 3 Prozent ab.

"Umsätze wie schon sehr lange nicht mehr"

Was Unternehmensanleihen angeht, ist das Interesse von Privatanleger*innen hoch. "Wir hatten im Februar so hohe Umsätze wie schon sehr lange nicht mehr", berichtet Rainer Petz von Oddo BHF. "Anleihen von großen Unternehmen mit Kupons von über 3 Prozent kommen richtig gut an."

Neu auf der Einkaufsliste: Nestlé-Bonds mit Laufzeit bis 2026 und Kupon von 0 Prozent (XS2350621863), wie Daniel berichtet. "Dabei setzt die Inflation auch Nestlé zu, der Konzern kann seine höheren Kosten nicht mehr so ohne weiteres an die Verbraucher weitergeben." Sehr beliebt blieben zudem ThyssenKrupp-Anleihen mit 2,875 Prozent Kupon und Fälligkeit im Februar 2024 (DE000A2TEDB8), die aktuell sogar mit 4,2 Prozent rentieren. Kaum Reaktion gab es dem Händler zufolge auf die über den Erwartungen liegenden Zahlen der Lufthansa (XS1271836600, XS2049726990).

Oechsner meldet erhöhte Umsätze in Papieren der Deutschen Bahn (XS1309518998, XS1936139770) sowie Mercedes-Benz (DE000A2GSCW3).

Kursrutsch bei R-Logitech

Weiter deutlich nach unten ging es diese Woche für R-Logitech. Das Unternehmen hatte vergangene Woche aus "Vorsichtsgründen" um die Laufzeitverlängerung einer Anleihe (DE000A19WVN8) gebeten. Diese Woche hat die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger SdK ein Webinar für Anleihegläubiger ausgerichtet, in dem Vertreter von DMR Legal und der Investmentbank Houlihan Lokey ihre vorläufige Einschätzung zur rechtlichen und finanziellen Situation darlegten. "Die Anleihe fiel von 60 auf 40 Prozent", erklärt Petz. Betroffen sind auch Papiere der Muttergesellschaft MRG Finance (XS1897122278) und der ebenfalls zur Gruppe gehörenden Metalcorp (DE000A3KRAP3).

"Sorgen bereitet in diesem Zusammenhang auch der Deutsche Mittelstandsanleihen-Fonds (LU0974225590), der laut ‚FAZ‘ größere Positionen an R-Logitec- und Metalcorp-Bonds hält", bemerkt Petz. Der Fonds wurde Mitte Januar vorläufig geschlossen und vom Handel ausgesetzt, allerdings aus anderen Gründen: wegen Bewertungsproblemen für eine Anleihe der Zweckgesellschaft Securo Pro (DE000A1927W4).

Am Neuemissionsmarkt war diese Woche wenig los. "Wir sehen aktuell eine eher verhaltene Nachfrage nach interessanten Neuemissionen über die Sektoren hinweg", informiert Oechsner. Es herrsche Risikoaversion - trotz des im Vergleich zu den Vorjahren attraktiven absoluten Zinsniveaus und anhaltend guter Liquiditätslage.

von: Anna-Maria Borse, 3. März 2023, © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)