FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Zu Jahresbeginn ist die Stimmung positiv. Vor allem Mittelstandspapierewerden gekauft. Traditionell prägen viele Neuemissionen das Geschehen.

6. Januar 2023Frankfurt (Börse Frankfurt). Trotz einer drohenden Rezession erwarten viele ein positives Anleihejahr 2023, vor allem ab der zweiten Jahreshälfte. Der Optimismus hängt nach einhelliger Einschätzung allerdings an den Zinsentscheidungen der Notenbanken. Mit weiter steigenden Zinsen sei sowohl in den USA wie im Euroraum zu rechnen. Die Erwartungen vor allem an die Fed, die Zinsen im Jahresverlauf zu senken, halten sich hartnäckig. Doch der Auftakt in das Anleihenjahr 2023 ist positiv verlaufen.

Zehnjährige Bundrendite so hoch wie zuletzt 2011

Nachdem die zehnjährige Bundrendite am letzten Handelstag des vergangenen Jahres erstmals seit September 2011 wieder über 2,5 Prozent gestiegen war, gingen die Renditen in der ersten Handelswoche zunächst zurück. Die Kurse stiegen überwiegend.

"Die niedriger als erwartet ausgefallene Inflation in Deutschland war der Kurstreiber", berichtet Arthur Brunner von der ICF Bank vom Frankfurter Parkett. Die Inflation für Dezember ist auf 8,6 Prozent gesunken. Auch in Frankreich als zweiter großer Volkswirtschaft Europas sind die Verbraucherpreise mit 7,6 Prozent niedriger als im Vormonat ausgefallen. "Der Rückgang der Inflationsraten in den beiden größten Volkswirtschaften des Euroraumes könnte den Druck auf die EZB mindern, mit deutlichen Zinserhöhungen gegen die starke Teuerung vorzugehen", kommentiert Burkhard Fehling von der Commerzbank.

Leichter Renditeanstieg nach Arbeitsmarktdaten

Mit der Veröffentlichung des Arbeitsmarktberichts aus den USA und des Fed-Protokolls der vergangenen Sitzung ziehen die Renditen jedoch etwas an: Aktuell rentieren zehnjährige Bundesanleihen mit 2,31 Prozent und zweijährige mit 2,65 Prozent. Laut "Bericht haben die US-Unternehmen im vergangenen Monat deutlich mehr Jobs als gedacht geschaffen. 235.000 Arbeitsplätze waren entstanden, hingegen nur 150.000 erwartet worden. "Das schürt Zinsängste am Markt", berichtet Tim Oechsner von Steubing. "Damit bleibt auch die Rezession ein Thema im neuen Jahr mit der Frage, ob sie kommt und wie stark."

Das Protokoll der letzten Sitzung bestätigte, dass die Fed ihrem restriktiven Kurs treu bleiben und die Zinsen weiter erhöhen dürfte. Darin wurde festgestellt, dass es niemand im Markt für angemessen hält, den Leitzins im Jahr 2023 zu senken. "Dies steht im Gegensatz zu der Marktmeinung, dass der Leitzins nach einem Zinsgipfel von 5 Prozent, der Mitte des Jahres erreicht werden könnte, wieder um 25 bis 50 Basispunkte gegen Jahresende gesenkt werden sollte", stellt Hans-Joachim Lübbing von der Commerzbank fest. "In dieser Fehlinterpretation der Geldpolitik seitens des Marktes sieht die Fed eine Gefahr für die Erreichung des Inflationszieles und wird dementsprechend versuchen, die Marktmeinung zu korrigieren."

"Tempo und Ausmaß der Zinserhöhungen sind gegenwärtig die entscheidende Stellschraube für das Geschehen an den Anleihemärkten", fasst Oechsner zusammen. Für die EZB erwarte der Markt eine weitere Zinserhöhung von 50 Basispunkten und zwei von je 25. Dann sollte der Zinserhöhungszyklus enden.

2023: "Zinskupons wieder interessant"

"Die große Anpassung am Rentenmarkt haben wir hinter uns, zunehmend werden Zinskupons wieder interessant", erklärt Ulrich Stephan von der Deutschen Bank im Jahresausblick. Die Deutsche Bank erwartet, dass der Renditeanstieg in der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte abebbt. Anleiherenditen in den USA dürften bereits im ersten Halbjahr ihr Hoch erreichen. Bis Ende 2023 sollten die Renditen zehnjähriger US-Treasuries bei 4,2 Prozent liegen und die zehnjährigen Bundrenditen bei 2,4 Prozent, eine mäßige Rezession vorausgesetzt.

"Die Leitzinsen dürften bereits im ersten Quartal 2023 in den USA bei 5 Prozent und im Euroraum bei 3 Prozent für Einlagensatz ihren Höhepunkt erreicht haben", prognostiziert Martin Hartmann von der Commerzbank. Das sei auch am Anleihemarkt so eingepreist. Danach dürfte die Europäische Zentralbank erst einmal eine Pause bei den Zinsen einlegen, und die US-Notenbank könnte im zweiten Halbjahr die Leitzinsen sogar leicht senken.

Optimistischer Jahresauftakt

Der Jahresauftakt ist jedenfalls von Optimismus geprägt, berichten Händler vom Parkett: "Optimismus ja - Euphorie nein", fasst Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank die ersten Handelstage des Jahres zusammen. Der Handel verlaufe in ruhigen Bahnen, wenngleich die Umsätze im Dezember lebhafter gewesen seien. "Womöglich wird sich mit mehr Unternehmensnachrichten das Geschäft beleben, wenn in den kommenden Tagen noch mehr Marktteilnehmer aus den Ferien zurück sind."

Sehr guter Start

"Wir sind sehr gut in das Jahr gestartet", kommentiert Brunner. Kaufgelegenheiten würden genutzt, weil die Renditen - anders als noch vor zwei Jahren - recht attraktiv seien. "Die Stimmung ist positiv, die Kurse steigen, die Liquidität ist zurück", berichtet Oechsner.

Traditionell kommt nach Oechsners Angaben zu Jahresbeginn der Markt von Neuemissionen in Schwung. Brunner berichtet, dass vor allem Staaten wie Portugal, Irland und Österreich die Gunst der Stunde genutzt haben sowie Unternehmen wie E.on. Privatanleger*innen würden vor allem Anleihen bekannter Unternehmen mit Laufzeiten von zwei bis drei Jahren kaufen. "Allerdings müssen die Laufzeiten überschaubar, die Bonität gut und die Geschäftsmodelle intakt sein."

Nach Brunners Einschätzung könnte der aktuelle Optimismus dennoch etwas zu viel des Guten sein, wenn die EZB künftig weitere Zinserhöhungen bekanntgibt. Die Anleger*innen würden noch nicht ausreichend hinterfragen, inwieweit dies Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne hat. "Eine Rezession steht nach wie vor im Raum."

Aktuell vermerkt Brunner einmal mehr Käufe einer Anleihe des finnischen Finanzdienstleisters Multitude (NO0012702549). "Die Rendite ist mit aktuell 10,9 Prozent attraktiv." Allerdings werde der Kupon vierteljährlich angepasst. Er besteht aus dem Drei-Monats Euribor plus 750 Basispunkte. Der Euribor ist der Zins, zu dem sich Banken kurzfristig untereinander Geld leihen. Käufe registriert Brunner auch bei Mutares (NO0010872864). Die Anleihe des Beteiligungsunternehmens mit 7,798 Prozent Kupon und Laufzeit bis 2024 notiert bei 98,5 Prozent.

Auch eine Anleihe der CA Immobilien (XS2248827771) ist gefragt sowie ein Papier von Fresenius Medical Care (XS2530444624) mit Laufzeit bis 2027 und einem Kupon von 3,875 Prozent. "Es gehörte schon im vergangenen Jahr zu den beliebten Anleihen von Privatanleger*innen", berichtet Brunner. Aber auch Mittelstandspapiere wie das der Katjes Greenfood (DE000A30V3F1), das derzeit bei 108 Prozent steht, hätten sich gut geschlagen.

von: Antje Erhard, 06. Januar 2023, © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)